2011 - Pharaonen, Pyramiden, Papyrus – Ägypten klingt nach Geschichte zum Anfassen. Zwischen chaotischem Kairo, majestätischen Tempeln und entspannten Stunden am Roten Meer entfaltet sich eine Reise voller Kontraste. Ein Abenteuer, das Staunen und Überraschungen garantiert.
Willkommen im Chaos von Kairo
Kairo
Urlaub gleich Abenteuerzeit. Ägypten heißt mein Ziel. Da ich nur einen begrenzten Urlaubszeitraum habe und der Arabische Frühling gerade erst langsam abkühlt, entscheide ich mich diesmal nicht fürs wilde Backpacken, sondern für eine organisierte Tour. Ägypten stand zwar schon lange auf meiner Reiseliste, aber bei der aktuellen Lage vertraue ich lieber auf Profis. Gebucht ist also eine Abenteuerreise über eine Spezialagentur – versprochen werden individuelle Betreuung, kleine Gruppe, flexible Fortbewegungsmittel (vom Bus über Taxi bis zur Felucca – und sogar ein Eselritt). Klingt nach einer guten Mischung aus organisiert und doch abenteuerlich.
Ich fliege also nach Kairo, wo der erste Tag ganz dem Ankommen gewidmet ist. Also nichts wie raus auf einen kleinen Spaziergang. Schon nach wenigen Metern – ich bin gefühlt noch nicht mal aus der Hotellobby raus – spricht mich ein freundlicher Ägypter an. Mit charmantem Small Talk, ein paar Witzen und einem „Walk like an Egyptian“-Spruch hat er mich sofort am Haken. Er weiß bestens Bescheid über meine Tour und vor allem darüber, was nicht auf dem Programm steht. „Kein Problem“, meint er, „das zeige ich dir persönlich, zum Freundschaftspreis, sofort!“ Der Mann ist Profi. Kurzzeitig bin ich tatsächlich versucht – aber dann denke ich: Ich bin seit einer halben Stunde im Land und soll schon auf meine erste „Spezialtour“ gehen? Lieber nicht. Ich lehne ab. Er wirkt enttäuscht, fast beleidigt, zieht ab.
Weiter Richtung Zentrum. Das Stadtbild: heruntergekommen, viel Staub, viele Häuser halb verfallen, teilweise beschädigt. Selbst der Präsidentenpalast wirkt wie ein Relikt, schwarz verkohlt vom Brand – Spuren der Proteste.
Am Tahrir-Platz wird die jüngste Geschichte greifbar: Hier fanden die Massenkundgebungen des Arabischen Frühlings 2011 statt, Millionen Menschen forderten mehr Freiheit und ein Ende der Korruption. Revolutionäre Euphorie, Chaos, Gewalt – all das hallt noch nach. Heute herrscht wieder Alltag, doch die schwarzen Fassaden erinnern, dass die Geschichte hier noch sehr frisch ist.
Natürlich bleibe ich auch nicht lange ungestört. Ein anderer Ägypter verwickelt mich in ein Gespräch, freut sich übers „Germany“ – er hat Verwandte in Köln, Stuttgart, irgendwo. Ehe ich mich versehe, folge ich ihm um zwei Ecken und stehe plötzlich in einem Souvenirshop voller Papyrusrollen und Nippes. Nein danke – auch hier bleibe ich standhaft. Zwei Mal fast in die Touristenfalle getappt – reicht für den ersten Tag.
Am Abend dann das erste Treffen mit unserem Guide. Mohamed, ein sympathischer Ägypter, wird uns die nächsten Tage begleiten. Zur Gruppe stoßen noch zwei Australierinnen – und das war’s. Eine Minigruppe! Wir sitzen entspannt bei Shisha zusammen, besprechen die nächsten Tage, und ich merke: Das Abenteuer kann losgehen.
Und dann erzählt eine meiner Mitreisenden von ihrem Tag. Sie sei am Vormittag von genau demselben „freundlichen Ägypter“ angesprochen worden, der mich fast gekriegt hätte. Sie hat zugesagt, ließ sich den ganzen Tag herumfahren – und wurde ordentlich zur Kasse gebeten. Da bin ich wirklich froh, dass ich mich rechtzeitig losgerissen habe. Manchmal ist Nein sagen eben die günstigere Option.

Mitten ins Herz der Geschichte
Kairo
Mit Tag 2 gehen wir direkt in die Vollen: Heute stehen die legendären Pyramiden von Gizeh auf dem Programm. Mit dem Taxi geht es hinaus zu den monumentalen Bauwerken, die seit Jahrtausenden die Fantasie der Menschheit beflügeln. Vor uns ragt die Cheops-Pyramide auf – das einzige erhaltene Weltwunder der Antike. Errichtet vor rund 4.500 Jahren, misst sie knapp 147 Meter in der Höhe (heute „nur“ noch 138, weil die Spitze fehlt) und war über 3.800 Jahre lang das höchste Bauwerk der Welt. Ein Grab für den Pharao Cheops, ein Mysterium für Generationen von Forschern – und bis heute weiß niemand ganz sicher, wie die gewaltigen Steinblöcke, teils über zwei Tonnen schwer, so präzise aufeinander geschichtet werden konnten.
Direkt daneben liegt die Sphinx – halb Löwe, halb Mensch, und bis heute ein Rätsel. Mit 73 Metern Länge und 20 Metern Höhe wacht sie seit Jahrtausenden über das Plateau. Manche vermuten, ihr Gesicht sei ein Abbild von Pharao Chephren. Andere halten sie für viel älter, was Raum für Mythen und Spekulationen eröffnet. Sicher ist nur: Sie ist der wohl berühmteste „Friedhofswächter“ der Welt.
Wir machen Fotos aus allen möglichen Winkeln – und sind dabei fast alleine! Kaum Touristen verirren sich an diesem Vormittag hierher. Ein absoluter Luxus, wenn man bedenkt, dass die Pyramiden sonst Heerscharen von Besucher:innen anziehen. Der einzige kleine Dämpfer: die Stadt Kairo selbst. Sie ist inzwischen bis fast direkt an die Pyramiden herangerückt, und die Wohnblocks beginnen nur wenige hundert Meter entfernt.
Auf Postkarten sieht man das selten – in der Realität ist es ein ziemlicher Kontrast zwischen antiker Monumentalität und urbanem Gewusel.
Die erste Tageshälfte ist grandios und ein absolutes Must-See. Zum Mittag gönnen wir uns eine Falafel auf die Hand, bevor es weitergeht ins berühmte Ägyptische Museum.
Drinnen warten mehr als 120.000 Exponate aus über 3.000 Jahren Geschichte – ein Schatzhaus, in dem man sich problemlos tagelang verlieren könnte. Da wir aber nur einen Nachmittag haben, konzentrieren wir uns mit unserem Guide auf die Highlights.
Allen voran die Schätze des Pharao Tutanchamun. Seine goldene Totenmaske, funkelnde Schmuckstücke und fein gearbeitete Sarkophage sind weltberühmt. Ebenso eindrucksvoll: der riesige Sarkophag von Ramses II., mehrere monumentale Statuen und natürlich die Mumien im „Royal Mummy Room“. Schon cool!
Unser Guide erzählt, erläutert, beschreibt. Und beruhigt uns: „Macht euch keine Sorgen, das Puzzle wird sich während der Reise Stück für Stück zusammensetzen.“ Schon jetzt zeigt er uns aber die Bedeutung der Kartusche: ein ovaler Rahmen mit einer Linie an einem Ende, in dem die Namen von Pharaonen in Hieroglyphen eingeschrieben waren – quasi die königlichen „Namensschilder“.
Ein kurzer Exkurs zur Geschichte: Über 3.000 Jahre lang wurde Ägypten von insgesamt 32 Dynastien regiert. Zu den wichtigsten Herrschern zählt Narmer (oft auch Menes genannt), der um 3.000 v. Chr. Ober- und Unterägypten vereinte – ein Schlüsselmoment für das Reich am Nil. Später kam Ramses II., der „Große“, der über 60 Jahre regierte und unzählige Tempel hinterließ. Und dann war da Echnaton, der alles auf den Kopf stellte: Er schaffte die alten Götter ab und führte den Kult um die Sonnenscheibe Aton ein – der erste bekannte Versuch eines Monotheismus. An seiner Seite stand Nofretete, berühmt bis heute durch ihre elegante Büste, die heute im Neuen Museum in Berlin zu sehen ist. Als ich erwähne, dass ich diese bereits dort gesehen habe, fragt unser Guide, ob Ägypten sie gerne zurückhätte. „Irgendwie schon“, meint er, „aber in Berlin ist sie wohl sicherer.“
Ein kurzer Exkurs zur Geschichte: Über 3.000 Jahre lang wurde Ägypten von insgesamt 32 Dynastien regiert. Zu den wichtigsten Herrschern zählt Narmer (oft auch Menes genannt), der um 3.000 v. Chr. Ober- und Unterägypten vereinte – ein Schlüsselmoment für das Reich am Nil. Später kam Ramses II., der „Große“, der über 60 Jahre regierte und unzählige Tempel hinterließ.
Und dann war da Echnaton, der alles auf den Kopf stellte: Er schaffte die alten Götter ab und führte den Kult um die Sonnenscheibe Aton ein – der erste bekannte Versuch eines Monotheismus. Auffällig war auch sein Erscheinungsbild. Reliefs und Statuen zeigen ihn mit ungewöhnlich langem Schädel, schmaler Brust, breitem Becken und auffällig vollen Lippen. Manche vermuten, dass diese Darstellungen Ausdruck einer realen körperlichen Deformation waren – etwa durch ein genetisches Syndrom. Andere halten es für einen bewussten künstlerischen Stilwechsel, mit dem Echnaton seine Sonderstellung als gottgleicher Herrscher unterstreichen wollte. Sicher ist: Sein Bild unterscheidet sich deutlich von den idealisierten Darstellungen anderer Pharaonen.
An seiner Seite stand Nofretete, berühmt bis heute durch ihre elegante Büste, die heute im Neuen Museum in Berlin zu sehen ist. Als ich erwähne, dass ich diese bereits dort gesehen habe, fragt unser Guide, ob Ägypten sie gerne zurückhätte. „Irgendwie schon“, meint er, „aber in Berlin ist sie wohl sicherer.“
Damit endet ein Tag voller Eindrücke – oder besser gesagt: der erste volle Tag unserer Rundreise. Am Abend besteigen wir den Nachtzug nach Assuan. Abenteuer, wir kommen!

Guten Morgen, Assuan!
Assuan
Ich wache im Nachtzug auf, draußen zieht die Landschaft am Nil vorbei: sattes Grün am Ufer, dahinter die endlose Wüste. Ein Anblick, der einen sofort vergessen lässt, dass die Nacht in einem ratternden Zugabteil nicht unbedingt fünf Sterne hatte. Traumhaft.
Nicht ganz so traumhaft verlief allerdings der Vorabend: Unser Guide Mohamed stieß sich im Abteil den Kopf und zog sich dabei eine ordentliche Platzwunde zu. Mit blutiger Stirn stöhnte er nur: „Oje, oje, eigentlich soll ich mich doch um euch kümmern – jetzt müsst ihr euch um mich kümmern.“ Kein Problem, wir verarzten ihn notdürftig. Die Reise ist nicht gefährdet, und am nächsten Morgen holt er sich beim Arzt noch einen professionellen Verband. Held des Tages!
Dann aber endlich: Assuan. Wir starten mit einer gemütlichen Bootstour auf dem Nil. Vom Deck der Felucca aus wirkt die Stadt besonders schön – das tiefe Blau des Wassers, das satte Grün der Ufer, und dahinter wieder die Wüste wie mit dem Lineal abgeschnitten. Postkartenmotiv live.
Wir segeln vorbei an Elephantine Island, seit Jahrtausenden ein kultureller Hotspot. Der Name kommt von den Granitfelsen am Ufer, die angeblich wie Elefantenrücken aussehen.
Archäologisch ist die Insel spannend: Hier fanden sich Reste von Tempeln, Siedlungen und Festungen. Sogar alte Nilometer – Einkerbungen im Fels – sind hier zu sehen, mit denen die alten Ägypter schon vor 3.000 Jahren den Wasserstand des Nils maßen. Davon hing schließlich alles ab: Ernte, Wohlstand, Hungersnot.
Später legen wir an und besuchen eine nubische Familie. Wir werden herzlich empfangen, Kinder zeigen uns stolz ihre Haustiere und führen uns durchs Haus. Es gibt Tee und ein köstliches Abendessen: Reis, Bohnen, Hühnchen, dazu frisches Gemüse und Brot. Einfach, aber richtig lecker.
Ein kurzer Blick in die Geschichte: Nubien liegt südlich von Ägypten, entlang des Nils bis ins heutige Sudan. Schon im Altertum war es mal Handelspartner, mal Rivale. Nubische Bogenschützen dienten in ägyptischen Armeen, gleichzeitig eroberten die Pharaonen Nubien wegen seiner Bodenschätze, insbesondere Gold. Später, im 8. Jahrhundert v. Chr., kehrten die Rollen sich um: Nubische Könige eroberten Ägypten und stellten selbst Pharaonen. Ein Verhältnis voller Konflikte, aber auch kultureller Verschmelzungen. Heute ist die nubische Kultur immer noch spürbar – gastfreundlich, bunt und voller Stolz.
Nach Bootstour und Stadtrundgang klingt der Tag entspannt aus. Früh schlafen ist angesagt, denn morgen wartet das nächste Highlight: der Ausflug nach Abu Simbel – eines der eindrucksvollsten Monumente ganz Ägyptens.
Auf zum Tempel der Tempel
Abu Simbel
Noch vor Sonnenaufgang geht es los: In Richtung Süden, fast bis an die Grenze zum Sudan. Wir treffen uns mit mehreren Autos, die in einem Konvoi starten – inklusive Polizeibegleitung. Offensichtlich gilt die Region nicht als die sicherste, die Nähe zur Grenze macht sich bemerkbar. Abenteuer pur!
Die Fahrt durch die Wüste ist spektakulär: endlose Sandflächen, die im Morgenlicht leuchten, hier und da Felsformationen wie aus einer Filmkulisse. Unterwegs erzählt unser Guide mehr über die frühe Geschichte Ägyptens – und wir kommen wieder auf Narmer zurück, den König, der Ober- und Unterägypten vereinte. Zumindest geht man heute davon aus. Symbolisiert wurde diese Vereinigung durch die berühmte Doppelkrone: die rote Krone für Unterägypten, die weiße für Oberägypten – zusammen das sichtbare Zeichen der vereinten Herrschaft. Ein geniales PR-Accessoire der Antike, das sofort jedem klarmachte: Hier regiert einer über das ganze Reich.
Schließlich erreichen wir Abu Simbel – und schon der erste Blick ist überwältigend. Vier gigantische Statuen von Ramses II. blicken über den Wüstensand. Doch das Beeindruckende: Der Tempel steht eigentlich gar nicht mehr dort, wo er einst erbaut wurde.
In den 1960er-Jahren drohte er durch den Bau des Assuan-Staudamms im Wasser des entstehenden Nassersees zu versinken. In einer beispiellosen Rettungsaktion wurde der gesamte Tempel zwischen 1964 und 1968 in Einzelteile zerlegt und rund 60 Meter höher sowie 200 Meter landeinwärts wieder aufgebaut.
Über 1.000 Arbeiter, unterstützt von der UNESCO, schnitten das Monument in rund 20.000 Blöcke – jeder bis zu 30 Tonnen schwer. Kostenpunkt damals: rund 40 Millionen US-Dollar. Ein gigantisches Puzzle, das heute als eine der größten archäologischen Rettungsaktionen aller Zeiten gilt.
Die Anlage besteht aus zwei Tempeln: dem großen Haupttempel für Ramses II. selbst und dem kleineren Tempel für seine Frau Nefertari. Besonders faszinierend: Zweimal im Jahr, am 22. Februar und am 22. Oktober, fällt die Sonne genau so in den Tempel, dass das Gesicht Ramses II. im Allerheiligsten erleuchtet wird – nur der Gott der Unterwelt bleibt im Schatten. Antike Astronomie vom Feinsten!
Wir werfen zum Abschluss noch einen Blick auf den riesigen Nassersee, der wie ein Meer in der Wüste wirkt. Dann geht es zurück nach Assuan.
Zurück in der Stadt wartet noch ein Programmpunkt: der Besuch einer Parfümerie. Zwischen Düften und Flakons werden wir von einer charmanten Verkäuferin betreut. Einer der Männer im Laden grinst mich an und fragt, ob ich Interesse hätte, sie zu heiraten – ein iPhone als Mitgift würde genügen, und die Sache sei erledigt. Klingt nach einem preiswerten Deal, aber ich lehne höflich ab und entscheide mich stattdessen für ein paar Parfüm-Souvenirs für die Familie zuhause. Sicher die bessere Wahl.
So endet ein Tag voller Highlights – von monumentaler Geschichte bis zu skurrilen Alltagsmomenten.
Erst segeln, sinnieren, schwimmen - dann staunen im Horus Tempel
Edfu
Wir besteigen wieder unsere Felucca und segeln gemütlich den Nil hinunter, diesmal Richtung Norden. Es ist wie ein Gemälde: tiefblaues Wasser, sattgrüne Uferstreifen und dahinter die scharfe Kante der goldgelben Wüste. Malerisch!
Unterwegs legen wir einen Badestopp ein. Ja, richtig gelesen: Ich bade im Nil! Zuerst habe ich Bilder von Krokodilen im Kopf, doch unser Guide beruhigt uns: Seit dem Bau des Assuan-Staudamms treiben sich hier keine Krokodile mehr herum. Also rein ins Wasser. Später werde ich mir zu Hause anhören dürfen, dass ich damit quasi um mein Leben gebadet hätte – Stichwort Bilharziose, Amöben und andere Dinge, die man lieber nicht kennenlernt. Aber unser Guide meinte, es sei unbedenklich, die Einheimischen würden hier sogar wieder das Nilwasser trinken. „Für euch bitte nicht“, ergänzt er. Einverstanden.
Der Rest des Tages ist pure Entspannung: segeln, dösen, Landschaft genießen. Am Abend schlafen wir direkt auf Deck der Felucca – unter freiem Himmel, der Sternenhimmel als Decke. Denn plötzlich entdecken wir, dass wir einen blinden Passagier an Bord haben: eine Ratte. Die Szene ist filmreif – eine Mitreisende will gerade ein Foto machen, als hinter mir das Tier auftaucht. Kamera fallen gelassen, hektisches Zurückweichen. Die Crew reagiert gelassen und fängt die Ratte tatsächlich ein. So viel zum Thema Abenteuerreise. Immerhin konnte ich vorher noch mit einem Kartentrick für Erstaunen sorgen – Unterhaltung an Bord ist also gesichert.
Der Sonnenuntergang über dem Nil ist ein Traum, und trotz Ratte schlafen wir tief und fest unter den Sternen.
Am nächsten Morgen geht es weiter nach Edfu, wo einer der am besten erhaltenen Tempel Ägyptens wartet: der Horus-Tempel. Errichtet in der ptolemäischen Zeit um 300 v. Chr., ist er dem falkenköpfigen Gott Horus geweiht – Beschützer des Pharaos und Symbol für Macht und Sieg.
Schon der erste Eindruck ist gewaltig: ein 36 Meter hohes Pylon-Tor, geschmückt mit riesigen Reliefs, die den Sieg des Horus über seinen Widersacher Seth zeigen. Im Inneren erwarten uns präzise Hieroglyphen, imposante Säulenhallen und eine fast mystische Atmosphäre. Besonders eindrucksvoll ist das Allerheiligste im hintersten Teil des Tempels, wo einst die heilige Barke des Gottes stand. Die Reliefs hier sind so detailliert, dass man fast glaubt, den Tempelkult noch miterleben zu können.
Auch die Stadt Edfu selbst ist einen Blick wert: ein quirliges Handelszentrum, geprägt vom Kontrast zwischen uralten Ruinen und modernem ägyptischem Alltag. Kleine Märkte, hupende Tuk-Tuks, Händler, die ihre Waren lautstark anpreisen – ein typisches ägyptisches Stadtbild, lebendig und chaotisch zugleich.
Nach dem Tempelbesuch und einem kurzen Abstecher in die Stadt setzen wir unsere Reise fort. Das nächste große Ziel: Luxor – und damit das legendäre Tal der Könige.
Hochzeit, Könige und Königinnen
Luxor
In Luxor angekommen, beziehen wir wieder ein Hotel. Doch an Ausruhen ist nicht zu denken: Unser Guide Mohamed entführt uns kurzerhand auf eine lokale Hochzeit – ein Freund von ihm heiratet, und wir sind eingeladen.
So platzen wir, ganz unvorbereitet, mitten hinein ins ägyptische Hochzeitsfest. Und obwohl wir eigentlich wildfremd sind, werden wir gastfreundlich empfangen, als gehöre es zum guten Ton. Exotische Gäste aus Europa und Australien sorgen offenbar für zusätzliche Unterhaltung. Es wird gegessen, getanzt, gefeiert – aber nach Tradition getrennt: Männer auf der einen, Frauen auf der anderen Seite. Meine beiden australischen Mitreisenden lassen sich nicht lange bitten und tanzen ausgelassen mit. Ich hingegen bleibe in guter deutscher Tradition steif sitzen, beobachte das Treiben und entscheide mich gegen den Versuch, in die Männerrunde hineinzutanzen. Humorvolle Selbstkritik: Der einzige Rhythmus, den ich zuverlässig beherrsche, ist der des Kopfnickens zum Takt.
Am nächsten Tag geht es zu einem der absoluten Höhepunkte der Reise: ins Tal der Könige. Zwischen kargen Felsen liegt hier eine der berühmtesten Nekropolen der Welt. Seit dem Neuen Reich (ab ca. 1500 v. Chr.) ließen sich die Pharaonen in dieser Totenstadt bestatten. Über 60 Gräber sind bisher entdeckt, teils tief in den Fels getrieben, prunkvoll bemalt und mit unzähligen Götterdarstellungen versehen. Ziel: den Verstorbenen für die Reise ins Jenseits zu wappnen.
Wir steigen hinab in die Grabkammer von Ramses IX. – und sind überwältigt. Die Wände leuchten noch heute in kräftigen Farben: Szenen aus dem „Buch der Toten“, Götterprozessionen, Hieroglyphenketten.
Die Malereien sind so detailreich, dass man fast vergisst, dass sie über 3.000 Jahre alt sind. Ein bisschen wie ein Comic der Antike – nur eben mit Göttern, Schlangen und Sonnenscheiben.
Weiter geht es zum Tempel der Hatschepsut – und das auf eine recht abenteuerliche Weise: ein Teil des Weges auf dem Rücken eines Esels. Der Ritt ist wacklig, charmant und anstrengend zugleich – ein Erlebnis, das ich mir vielleicht auch hätte ersparen können. Aber gut, ich habe ja eine „Abenteuerreise“ gebucht.
Der Tempel selbst ist ein Meisterwerk. Terrassenartig schmiegt er sich an die steilen Felswände von Deir el-Bahari. Hatschepsut, eine der wenigen weiblichen Pharaonen, ließ ihn im 15. Jahrhundert v. Chr. errichten.
Ihre Regierungszeit war eine der friedlichsten und wohlhabendsten Ägyptens: Statt auf Krieg setzte sie auf Handel, Architektur und Wirtschaft. Handelsreisen führten bis ins sagenumwobene Punt, von wo Weihrauch, Ebenholz und exotische Tiere zurückgebracht wurden. Unter ihr erlebte Ägypten eine Blütezeit – und ihr Tempel ist bis heute ein Symbol dafür.
Auf dem Rückweg halten wir bei den Memnonkolossen. Zwei gigantische Statuen, 18 Meter hoch, wachen seit 3.400 Jahren über das Niltal. Eigentlich waren sie einst Teil eines gewaltigen Tempels von Amenophis III., von dem heute kaum mehr übrig ist. Doch die Kolosse sind geblieben – majestätisch, trotz Wind, Wetter und Touristen.
Zum Abschluss des Tages geht es in den Karnak-Tempel, eine der größten Tempelanlagen der Welt. Über 2.000 Jahre lang wurde hier gebaut, erweitert und umgestaltet. Besonders berühmt ist der Säulenhof mit seinen 134 Papyrussäulen, die bis zu 23 Meter hoch in den Himmel ragen. Man fühlt sich winzig zwischen diesen steinernen Giganten.
Unser Guide erklärt, wie die alten Ägypter dieses Wunder überhaupt errichten konnten – ohne Kräne, Flaschenzüge oder Hightech. Die Methode war simpel und genial zugleich: Jede Säule wurde Stück für Stück aufgebaut, indem man nach jedem Segment den Bereich mit Sand auffüllte. So konnte das nächste Glied in der Höhe aufgelegt werden, bis die Säule vollständig war. Am Ende trugen Arbeiter den ganzen Sand wieder ab – und zurück blieb das steinerne Wunderwerk. Unvorstellbar, wie viele Tonnen Sand bewegt werden mussten, nur um eine einzige dieser gigantischen Säulen aufzurichten.
Ein Name fällt hier immer wieder: Ramses II., der große Bauherr. Er regierte 66 Jahre lang (1279–1213 v. Chr.) und hinterließ Spuren in ganz Ägypten. Manche nennen ihn den „Pharao der Superlative“ – denn er hatte ein Faible für Denkmäler. Sein Prinzip: „Warum neu bauen, wenn man recyceln kann?“ Er ließ einfach die Köpfe vorheriger Herrscher von Statuen abtragen und durch sein eigenes Konterfei ersetzen. Antikes Upcycling sozusagen – damals Statussymbol, heute würde man sagen: Sportwagen oder Luxusvilla. Ramses sicherte sich so eine ewige Präsenz im Land.
Nach einem Tag voller Monumente, Mythen und Steine, die ganze Geschichten erzählen, falle ich abends erschöpft ins Bett. Luxor hat uns ein weiteres Kapitel großartiger Geschichte geschenkt – und wir sind noch mittendrin.
Zurück in der Hauptstadt
Kairo
Das war also das Tal der Könige – ein wirklich beeindruckender Halt. Nun geht es zurück nach Kairo, wo wir noch einen kurzen Zwischenstopp einlegen.
Wir besuchen die berühmte Muhammed-Ali-Moschee. Und nein, es handelt sich dabei nicht um den Boxer Muhammad Ali, früher bekannt als Cassius Clay. Namensgeber ist der osmanische Herrscher Muhammed Ali Pascha, der im 19. Jahrhundert praktisch der Begründer des modernen Ägyptens war. Er ließ die prächtige Moschee im osmanisch-türkischen Stil auf der Zitadelle von Kairo errichten.
Besonders auffällig: die riesige Kuppel und die schlanken Minarette, die man schon von weitem über die Stadt hinausragen sieht. Im Inneren erwartet uns ein prunkvoller Gebetssaal mit unzähligen Lampen und Verzierungen – ein kleiner Ausflug in 1001 Nacht.
Der Rest des Tages gehört noch einmal Kairo: Wir schlendern durch Märkte, feilschen (mehr oder weniger erfolgreich) um Souvenirs und lassen uns vom Großstadttrubel mitreißen.
Doch lange bleiben wir nicht: Schon am Abend geht es weiter auf den Sinai, unser Ziel ist das berühmte Katharinenkloster am Fuße des Berges Sinai.

Über den Sinai zum Katharinenkloster
Halbinsel Sinai
Noch im Dunkeln rollen wir los – im Konvoi. Mehrere Geländewagen, stoische Fahrer, ein Gefühl von „zusammen ist’s besser“. Die Sinai-Halbinsel selbst ist ein geologischer Spagat zwischen Afrika und Asien: im Norden das Mittelmeer, im Süden das Rote Meer mit Golf von Sues und Golf von Akaba. Unten im Süden türmt sich ein wildes Granitgebirge auf (mit dem Gebel Katharina, 2.629 m, als Ägyptens höchstem Gipfel), dazwischen Täler, Plateaus, Akazien – und endlos Horizont.
Gegen Mittag erreichen wir das ummauerte Katharinenkloster zu Füßen des Berges. Der Ort ist ein Schwergewicht der Weltgeschichte: Die heutige Klosteranlage entstand im 6. Jh. unter Kaiser Justinian und gilt als eines der ältesten kontinuierlich bewohnten christlichen Klöster der Welt. Im Inneren steht die Kapelle über dem „Brennenden Dornbusch“ – der Legende nach jenem Busch, an dem Moses Gott begegnete. Das Kloster ist zudem Hüter einer außergewöhnlichen Sammlung frühchristlicher Manuskripte und Ikonen und gehört (mit der umliegenden Berglandschaft) zum UNESCO-Welterbe.
Am Nachmittag schultern wir Wasser und Jacken und steigen auf den Berg Sinai (Jebel Musa). Zwei Optionen: Kamel oder „Stufen der Reue“ (ein historischer Pilgerpfad mit vielen, vielen Stufen).
Meine australischen Mitreisenden entscheiden sich für den Wüstendiesel mit Höcker, ich für den Fußweg – wenn schon, denn schon. Der Pfad zieht sich in Serpentinen nach oben, die Luft wird kühler, der Blick weiter: zerfurchte Granitkämme, braune Schattierungen, ein Meer aus Bergen.
Kurzer Einordner zur Geschichte: Nach biblischer Überlieferung empfing Moses hier oben die Zehn Gebote. Vorher die Berufung am Brennenden Dornbusch unten im Tal – später dann der Bundesschluss am Berg. Ob exakt dieser Gipfel das historische „Sinai“ ist, bleibt eine Frage für Theologen und Archäologen – die spirituelle Wucht des Ortes spürt man trotzdem.
Oben sitzen wir windgeschützt hinter Felsen, warten auf die goldene Stunde – und werden belohnt: Der Sonnenuntergang gießt flüssiges Kupfer über die Zackenlandschaft. Der Abstieg geht im kühlen Schatten deutlich flotter; Stirnlampen an, Schritte sicher, die Gespräche leiser.
Unten im Klosterort gibt’s heißen Tee und das zufriedene Grinsen einer gut gelungenen Wüstenetappe. Morgen rollt der Konvoi weiter nach Nuweiba an den Golf von Akaba – Palmen, Strand, Berge direkt am Meer. Klingt nach einem würdigen Kontrastprogramm.
Abschied am Roten Meer
Nuweiba
Nach den vielen Abenteuern der letzten Tage steuern wir auf Entspannung zu: Wir fahren nach Nuweiba – eine kleine Küstenstadt am Golf von Akaba, die vielen als Perle am Roten Meer gilt. Hier gönnen wir uns einen Tag Badeurlaub.
Zum ersten Mal können wir ausschlafen, die Seele baumeln lassen und einfach nur genießen. Dank der kleinen Reisegruppe habe ich sogar das Glück, ein Einzelzimmer zu bekommen – purer Luxus! Unsere Unterkunft liegt direkt am Strand, das Städtchen ist überschaubar, entspannt und voller Charme.
Und natürlich: Das Rote Meer ruft. Schon vom Strand aus erreicht man das vorgelagerte Korallenriff. Ich schnorchele stundenlang durch eine Unterwasserwelt, die so bunt und lebendig ist, dass man fast vergisst, dass die Wüste nur ein paar Schritte entfernt liegt. Fische in allen Farben, Korallen wie kleine Skulpturen – ein Naturwunder.
Doch dann heißt es Abschied nehmen. Nach Tagen voller Tempel, Mythen, Pyramiden und Pharaonen, voller Geschichten von Ramses, Tutanchamun und Hatschepsut, sind die vielen Puzzleteile tatsächlich zu einem Bild zusammengewachsen. Ägypten hat uns nicht nur Sehenswürdigkeiten geschenkt, sondern auch Abenteuer, Überraschungen und jede Menge Anekdoten.
Gemeinsam mit unserer kleinen Reisegruppe und Guide Mohamed machen wir das obligatorische Abschiedsfoto – dann trennen sich unsere Wege. Für uns geht es weiter: Mit der Fähre von Nuweiba setzen wir über nach Aqaba in Jordanien.
Ein neues Land, ein neues Kapitel. Doch Ägypten bleibt – unvergesslich, monumental und mit einem Platz im Reiseherz.
Das war Ägypten!
Nach Tagen voller Monumente, Mythen und Wüstenstaub heißt es Abschied nehmen. Viele Puzzleteile der ägyptischen Geschichte sind zusammengefallen – und ergeben ein faszinierendes Bild. Ägypten bleibt unvergesslich, bevor schon das nächste Kapitel in Jordanien beginnt.
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