Der Elberadweg gehört zu den Klassikern unter den europäischen Radwegen – fast 1.300 Kilometer lang, von der Quelle im Riesengebirge bis zur Mündung in die Nordsee. Wer ihn befährt, erlebt ein Stück Flussgeschichte: mittelalterliche Städte, weite Elbauen, stille Dörfer und immer wieder die Nähe zum Wasser. Für uns ist es bereits die dritte Etappe. Nach Torgau, Dresden und der Sächsischen Schweiz geht es diesmal von Magdeburg bis kurz vor Hamburg. Zwei Wochen lang folgen wir dem Fluss – mit Kindern, Gepäck und jeder Menge Vorfreude.

Blick zurück – unsere Geschichte mit dem Elberadweg

Rückblick

Der Elberadweg gilt als einer der schönsten Radwege Deutschlands. Auf über 1.200 Kilometern begleitet er die Elbe von ihrer Quelle im Riesengebirge bis zur Mündung in die Nordsee – gesäumt von malerischen Landschaften, historischen Städten und echten Radler-Highlights.

Unsere eigene Reise begann 2015, damals noch zu zweit, mit einer ersten Etappe von Torgau bis nach Bad Schandau. Nach einer längeren Pause folgte 2023 die nächste: Als junge Familie 

fuhren wir von Magdeburg bis nach Torgau – vorbei an Höhepunkten wie dem Elbsandsteingebirge, Pirna, Dresden, Meißen, Riesa und der Lutherstadt Wittenberg.

Nun stand die dritte Etappe an: von Magdeburg bis kurz vor Hamburg, wo wir bei Lüneburg den Radweg verlassen sollten. Dieser Abschnitt versprach weniger Weltkulturerbe, dafür umso mehr Natur: weite Deichlandschaften, stille Wälder, kleine historische Städte – und natürlich jede Menge Familienabenteuer auf zwei Rädern.

Trogbrücke des Elbe-Havel-Kanals

Start in Magdeburg: Von Domtürmen, Nieselregen und einem Platten

Magdeburg

Unser Sommerurlaub auf zwei Rädern startet dort, wo für mich alles begann: in Magdeburg. Mit dem Zug, zwei vollgepackten Rädern und einer gehörigen Portion Vorfreude rollen wir an – für mich als gebürtigen Magdeburger natürlich ein Heimspiel. Übernachtet wird stilecht bei der Familie, und am Montagmorgen geht es los: meine Frau, unsere zwei Kinder und ich – samt Gepäck, das für zwei Wochen reichen soll. Zwei Fahrräder, beidseitig mit Packtaschen behängt, obenauf jeweils ein Rucksack, dazu das Nötigste an Radwerkzeug und Equipment.

Für viele Elberadweg-Reisende ist Magdeburg nicht nur ein Startpunkt, sondern ein lohnendes Ziel an sich. Wer Zeit hat, sollte hier ein bis zwei Tage verweilen: den mächtigen Magdeburger Dom bestaunen – den ältesten gotischen Sakralbau Deutschlands –, durch das verspielte Hundertwasserhaus „Grüne Zitadelle“ schlendern, das romanische Kloster Unser Lieben Frauen besuchen oder an der alten Stadtmauer entlang spazieren. Auch der grüne Gürtel entlang der Elbe macht die Stadt besonders reizvoll: kaum hat man die Räder gesattelt, fährt man schon mitten durch eine Mischung aus Geschichte und Natur.

Magdeburg, Landeshauptstadt von Sachsen-Anhalt, liegt malerisch an der Elbe und zählt rund 240.000 Einwohner. Die Stadt wurde bereits 805 gegründet und erlebte ihre erste Blütezeit im 10. Jahrhundert, als Otto der Große hier seine Kaiserpfalz errichten ließ. Später trat Magdeburg der Hanse bei und entwickelte sich zu einem wichtigen Handels- und Kulturzentrum. Heute präsentiert sich die Stadt als spannender Mix aus historischer Substanz, DDR-Architektur und moderner Stadtgestaltung – und ist damit ein perfekter Ausgangspunkt für unsere Radreise gen Norden.

Über die Sternbrücke setzen wir auf den Magdeburger Werder über, rollen durch den gleichnamigen Stadtteil und weiter  

Richtung Herrenkrugpark. Hier treffen wir zum ersten Mal auf den offiziellen Elberadweg – ein glatter, ebener Streifen, der sich am Fluss entlangzieht. Links die Elbe, sattgrün umrahmt, rechts Auenland. Der Nieselregen zum Start? Nebensache. Schließlich verspricht der Wetterbericht Sonne, und wir haben genug Motivation im Gepäck.

Die ersten Kilometer dienen gleich als Teststrecke: Mit vollem Gepäck kratze ich an den 30 km/h – 29,8 stehen am Tacho. Auch die Kinder genießen die freie Fahrt; wir grüßen die wenigen Radler, die uns begegnen, und rollen Richtung Norden. Gerwisch und Biederitz lassen wir rechts liegen, streifen kurz Alt Lostau – und erreichen mit Hohenwarthe unseren ersten Sightseeing-Stopp: die imposante Trogbrücke des Elbe-Havel-Kanals.

Hier führt tatsächlich ein Schifffahrtskanal über die Elbe – eine gigantische Stahl- und Betonkonstruktion, fertiggestellt 2003 nach mehr als 10 Jahren Bauzeit. Sie verbindet den Mittellandkanal mit der Elbe und gilt als längste Kanalbrücke der Welt. Auf über 900 Metern „schwimmt“ das Wasser samt Schiffen in einem Trog über das Elbetal hinweg. Technik, die nicht nur Kapitäne beeindruckt.

Danach folgen wir noch ein Stück dem Elbe-Havel-Kanal, bevor unser erster Reisetag in einem kleinen Dorf endet, wo wir in einer gemütlichen Radlerpension unterkommen. Die rund 30 Kilometer waren entspannt – bis auf einen kleinen Zwischenfall: In der Mittagspause hat Kind Nummer 1 einen Platten. Zum Glück habe ich Ersatzschlauch und Werkzeug dabei, und nach ein paar Minuten läuft das Rad wieder. Wir hoffen, dass es bei diesem einen Mal bleibt.

So endet Tag eins im Dorf Schartau: Die Beine sind locker, die Stimmung gut – und die Elbe hat gerade erst angefangen, uns ihre schönsten Seiten zu zeigen.

Zweiter & dritter Tag: Über ein Hausboot in Elbe-Parey ins mittelalterliche Tangermünde

Elbe-Parey & Tangermünde

Entspannt rollen wir aus Schartau los, der neue Reifen hält – alles bestens. Auch das Wetter zeigt sich gnädiger: der Nieselregen ist Geschichte, die Sonne wagt sich zaghaft hervor. Unser Ziel: weiter am Deich entlang, Auge in Auge mit der Elbe, die sich majestätisch durch die Landschaft schlängelt.

Wer auf dem Deich radelt, fühlt sich fast wie auf einer Promenade: links das ruhige Flussbett, rechts die Weite der Landschaft. Oft ist der Radweg ein ebener, asphaltierter Pfad, perfekt, um entspannt Strecke zu machen. Unterwegs begegnen wir Schafherden, die als natürliche Rasenmäher für Ordnung sorgen. Kein Lärm, kein Diesel, nur zufriedenes Blöken – nachhaltiger geht’s nicht.

Die Deiche selbst sind allerdings weit mehr als nur hübsche Kulisse. Sie schützen seit Jahrhunderten die Orte und Landschaften entlang der Elbe – und ihre Bedeutung wurde bei den großen Hochwassern 2002 und 2013 schmerzhaft deutlich. Beide Male stiegen die Pegel auf Rekordhöhen, 2013 sprach man sogar vom schwersten Elbehochwasser der letzten 60 Jahre. Seither wurden vielerorts Deiche verstärkt, Rückhalteflächen geschaffen und Auen renaturiert. Bei Sandau etwa hat man den alten Deich bewusst „aufgeschlitzt“, damit das Wasser im Ernstfall ins Vorland ausweichen kann. Das gibt nicht nur der Natur mehr Raum, sondern auch uns Radlern ein gutes Gefühl, wenn wir heute entspannt oben drüberrollen.

Nach einer ruhigen Nacht auf dem Hausboot in Elbe-Parey heißt es am nächsten Morgen: wieder rauf in den Sattel. Für die Kinder ein Highlight: die erste Fährüberfahrt. Räder an Bord, ein leichtes Schaukeln, der Blick über den Fluss – schon fühlt sich der Alltag wie ein kleines Abenteuer an. Viele Radler biegen an dieser Stelle nach Jerichow ab. Dort steht das berühmte Kloster Jerichow, eine der ältesten Backsteinbauten Norddeutschlands aus dem 12. Jahrhundert – ein echtes Schmuckstück romanischer Architektur. Für kulturinteressierte Elberadweg-Reisende ist das sicher ein 

lohnenswerter Abstecher. Wir selbst entscheiden uns allerdings dagegen und nehmen den direkten Weg nach Tangermünde. Hinter der Fähre geht es weiter durch Felder, Wiesen und kleine Waldstücke. Am Wegesrand stehen drei Kraniche, die uns aus sicherer Entfernung beobachten. Und dann, nach knapp 25 Kilometern, taucht sie auf: die Skyline von Tangermünde. Türme, Mauern, Zinnen – wie aus einem Bilderbuch des Mittelalters erhebt sich die Stadt über dem Elbufer. Ein Anblick, der die letzten Kilometer wie im Flug vergehen lässt.

Tangermünde, heute rund 10.000 Einwohner groß, liegt dort, wo der kleine Fluss Tanger in die Elbe mündet. Die Stadt ist ein Geheimtipp am Elberadweg: eine fast vollständig erhaltene Altstadt mit Fachwerkhäusern, kopfsteingepflasterten Straßen und der imposanten Stadtmauer samt Toren und Türmen.

Am Marktplatz fällt sofort das Rathaus ins Auge – ein prächtiger Backsteinbau aus der Hansezeit, verziert mit Zinnen und Türmchen, fast so, als hätten die Baumeister damals einfach ein bisschen übertrieben, nur um zu zeigen, was sie können. Hoch über der Elbe thront die Burg Tangermünde, die im 15. Jahrhundert sogar Kaiser Karl IV. beherbergte. Heute kann man hier im Hotel übernachten oder im Museum Geschichte schnuppern – der Blick von der Burgmauer hinunter auf die Elbe ist allerdings schon allein ein Erlebnis. Ebenfalls lohnenswert ist ein Abstecher in die Stadtkirche St. Stephan: gotische Architektur, beeindruckende Glasfenster und ein Turm, der beim Hochsteigen für brennende Oberschenkel sorgt – belohnt aber mit einem Panorama über Stadt und Fluss.

Wir lassen es an diesem Tag bewusst ruhig angehen. Statt Kilometer zu sammeln, schlendern wir durch die Gassen, spazieren an der Burgmauer entlang und genießen die Atmosphäre. Am Abend kehren wir in unsere Unterkunft zurück – ein bisschen müde, aber vor allem ziemlich begeistert von diesem kleinen Juwel an der Elbe.

Vierter & fünfter Tag: Von Tangermünde über Arneburg nach Havelberg und weiter zum Kamerner See

Havelberg & Kamerner See

Frisch gestärkt verlassen wir Tangermünde und rollen wieder hinaus auf den Elberadweg. Linksseitig der Elbe geht es weiter, die Landschaft bleibt ein Traum – sattes Grün, weite Felder, immer wieder ein Blick auf den Fluss, der sich gemächlich durch die Auen schlängelt. Die heutige Etappe ist mit gut 41 Kilometern etwas länger, doch die Strecke verläuft angenehm und abwechslungsreich.

Es ist ja oft die Frage, auf welcher Seite man den Elberadweg fährt: links oder rechts der Elbe? Wo ist es schöner? Beide Varianten haben oftmals ihren Reiz, manchmal führen sie dicht am Wasser entlang, manchmal ein gutes Stück durchs Hinterland. Am besten lässt man sich unterwegs in den Pensionen oder von Einheimischen zur nächsten Etappe beraten, welche Seite gerade am schönsten oder am besten zu fahren ist. Wir bleiben heute links – und landen so in Arneburg.

Zum ersten Mal heißt es: bergauf! Der Anstieg kostet zwar ein paar Körner, doch die Mühe lohnt sich. Oben in Arneburg, einer kleinen Stadt mit rund 2.500 Einwohnern, erwartet uns ein traumhafter Ausblick. Von einer Plattform hat man eine Panorama-Sicht über die Elbe, weit hinaus ins Land. Nichts für Leute mit Höhenangst – aber ein perfekter Ort für unsere Mittagspause. Mit vollem Bauch geht es anschließend wieder hinunter und direkt zur Fähre, die uns auf die rechte Elbseite 

bringt. Von dort rollen wir weiter bis zum Campingplatz am Kamerner See. Nach den ersten Etappen gönnen wir uns hier einen Pausentag – schwimmen, Sonne tanken, Beine hochlegen. Ein kleines bisschen Urlaubsgefühl mitten auf der Radtour. Erholt und frisch gestärkt steigen wir am nächsten Morgen wieder auf die Räder. 40 Kilometer liegen vor uns, mit einem besonderen Zwischenstopp: Havelberg. Die Stadt mit ihren knapp 6.000 Einwohnern liegt malerisch am Zusammenfluss von Havel und Elbe. Wir durchqueren die Altstadt mit ihren hübschen Gassen und werfen einen Blick auf den imposanten Dom St. Marien, der hoch über der Stadt thront. Der Bau geht auf das 12. Jahrhundert zurück und ist das Wahrzeichen Havelbergs. Drinnen waren wir zwar nicht, aber schon von außen beeindruckt die Mischung aus romanischer und gotischer Architektur.

Von hier aus begleitet uns die Havel, die noch eine ganze Weile parallel zur Elbe fließt, bevor sie sich mit ihr vereint. Landschaftlich wird es hinter Havelberg fast noch schöner: sattgrüne Auen, stille Flussarme, kleine Wälder und die Sonne, die inzwischen beständig vom Himmel scheint. Es rollt sich leicht, fast mühelos, durch diese idyllische Flusslandschaft.

Nach insgesamt rund 40 Kilometern erreichen wir am Abend ein kleines Dorf bei Rühstädt – und schon zeichnet sich ab, dass uns hier am nächsten Tag ein besonderes Highlight erwartet.

Dom in Havelberg

Sechster & siebter Tag: Störche in Rühstädt, Pause in Wittenberge und ein Stück Grenzgeschichte

Rühstädt, Wittenberge & Cumlosen

Unsere Unterkunft ist ein ein echter Volltreffer: ein altes Bauerngehöft, liebevoll hergerichtet, mit selbstgemachtem Apfelsaft und Marmelade zum Frühstück. Am Abend zuvor kochen wir Spaghetti mit Tomatensauce – simpel, aber für Groß und Klein ein Festmahl. Auch wenn wir nur kurz bleiben, fühlt sich dieser Halt wunderbar erholsam an. Dazu gönnen wir uns einen entspannten Tag in der naheliegenden Therme – schließlich brauchen die Radlerbeine auch mal Wellness.

Bevor wir die nächste Etappe starten, radeln wir noch ein paar Kilometer ins berühmte Storchendorf Rühstädt. Der kleine Ort gilt als einer der storchenreichsten in ganz Deutschland – zeitweise wurden hier über 30 Nester gezählt. Und tatsächlich: Überall klappert und flattert es, auf Dächern, Kaminen und alten Scheunen. Im Infozentrum des NABU lernen wir Spannendes über die Lebensweise der Störche, ihren langen Flug nach Afrika und zurück, und die Bedeutung des Elbe-Biosphärenreservats für die Vögel. Ein Highlight ist ein Aussichtsbalkon in einem historischen Bauernhaus, von dem man den Nestern fast auf Augenhöhe gegenübersteht. Das laute Geklapper der Störche hallt durchs ganze Dorf – kein Wunder, dass der „Klapperstorch“ hier so präsent ist.

Gestärkt von so viel Natur geht es weiter – das Wetter zeigt sich von seiner besten Seite: blauer Himmel, angenehme Temperaturen, kaum Wind. Ideale Bedingungen, und die Stimmung in der Familie könnte besser kaum sein. Wir erreichen bald Wittenberge, die größte Stadt in der Prignitz. Auf den ersten Blick wirkt sie etwas spröde, mit alten Industriebauten am Ufer. Doch genau hier liegt der Reiz: Wo früher Fabriken standen, entstehen heute Promenaden, Cafés und moderne Wohnungen. Der Mix aus Backstein, Verfall und neuer Lebendigkeit macht Wittenberge zu einem spannenden Zwischenstopp. Wir machen Mittagspause, bevor es weitergeht.

Unser Tagesziel ist Cumlosen – ein idyllischer Platz, perfekt, um den Abend entspannt ausklingen zu lassen. Am nächsten Tag rollen wir weiter Richtung Dömitz. Unterwegs passieren wir Lenzen, wo ein alter Wachturm an die innerdeutsche Grenze erinnert. Kaum vorstellbar, dass die friedliche Elblandschaft einst Sperrgebiet war und hier die DDR und die BRD aufeinandertrafen. Heute ist die Elbe Symbol für Natur und Verbindung – und wir treten weiter in die Pedale, hinein nach Mecklenburg-Vorpommern.

Achter Tag: Von der Zitadelle Dömitz in die Mittagshitze und aufs Land

Dömitz

Unsere Unterkunft in Dömitz ist ein Glücksgriff – nicht nur, weil wir inzwischen Mecklenburg-Vorpommern erreicht haben, sondern auch, weil es hier zur Freude der Kinder einen Pool gibt. So ein Sprung ins kühle Nass nach einem langen Radtag wirkt Wunder – und gehört fest zu unserer kleinen Radfahrstrategie: Jede Unterkunft soll, wenn möglich, ein Highlight bieten, damit das Etappenziel nicht nur nach Kilometern, sondern auch nach kleinen Abenteuern klingt.

Am nächsten Morgen gönnen wir uns tatsächlich noch einmal eine schnelle Runde im Wasser, bevor wir gegen halb zwölf endlich starten. Eigentlich ein Fehler, wie sich noch zeigen wird – aber zunächst besichtigen wir die Festung Dömitz. Die imposante Fünfeckanlage stammt aus dem 16. Jahrhundert und wurde einst von Herzog Johann Albrecht I. von Mecklenburg errichtet. Jahrhunderte diente sie als Verteidigungsanlage, später sogar als Gefängnis. Heute ist sie ein Museum und eine der am besten erhaltenen Flachlandfestungen Norddeutschlands – ein eindrucksvolles Stück Geschichte direkt an der Elbe.

So schön der Abstecher auch ist, er kostet uns Zeit – und wir fahren direkt in die Mittagshitze hinein. Zum ersten Mal kratzt das Thermometer an der 30-Grad-Marke, und während die Elbe 

neben uns glitzert, glüht der Asphalt. Kind Nummer zwei mag verständlicherweise nicht mehr so recht weiter, und für einen Moment droht die Etappe in ein kleines Drama zu kippen. Doch zum Glück hat der Elberadweg seine eigenen Rettungsanker: am Wegesrand bieten Anwohner kühle Getränke und frisches Obst an. Wir kaufen Wasser aus der Kühltruhe, Äpfel und Pflaumen, lassen ein paar Euro da – und siehe da, neue Energie fließt in die müden Beine.

So schaffen wir es bis zum Etappenziel – und das entschädigt für alles. Wir erreichen einen waschechten Bauernhof, der die Kinder sofort in seinen Bann zieht. Hühner gackern, Gänse schnattern, Hunde bellen, Katzen schleichen durchs Gras, Pferde schnauben. Die Hitze, die Kilometer, die Müdigkeit – all das ist in Sekunden vergessen. Die freundliche Bäuerin nimmt die Kinder gleich mit: Tiere füttern, Heu in die Ställe bringen, überall gibt es etwas zu tun. Während wir Eltern durchatmen, blühen die Kinder richtig auf.

Zum Abschluss werden wir noch mit einem herzhaften Abendessen verwöhnt. Ein Radtag, der zwischendurch anstrengend war, endet also auf die bestmögliche Art – mit müden, glücklichen Kindern und einem vollen Bauch.

Zitadelle Dömitz

Neunter Tag: Vom Bauernhof ins Grüne Band

Bleckede

Der Morgen auf dem Bauernhof beginnt früh – bereits um sieben Uhr stehen die Kinder fertig angezogen parat, um beim Auslassen der Tiere zu helfen. Hühner und Gänse verlassen die Ställe und die Kinder sind ganz in ihrem Element. Als die Bäuerin sie später noch zu einem kleinen Ausritt in den nahen Wald mitnimmt, ist das Glück perfekt – und der Abschied entsprechend schwer. Kaum sitzen wir wieder auf den Rädern, schmieden die beiden schon Pläne, wie sie ihren nächsten Geburtstag unbedingt auf diesem Hof feiern könnten.

Wir aber rollen weiter, hinein in die nächste Etappe von rund 30 Kilometern, die uns ein Stück Geschichte zum Anfassen beschert. Noch befinden wir uns auf der rechten Elbseite in Mecklenburg-Vorpommern, während auf der anderen Flussseite bereits Niedersachsen liegt. Hier verlief einst ein besonders sensibler Abschnitt der innerdeutschen Grenze. Auch wenn die Elbe als natürliches Hindernis diente, reichte der Fluss allein den Machthabern nicht: Ab den 1950er-Jahren wurde der Abschnitt mit einem 3,20 Meter hohen Metallzaun gesichert, der teils direkt auf den Deichen oder sogar unmittelbar vor den Häusern der Dorfbewohner errichtet wurde. Viele Menschen mussten ihre Höfe aufgeben, ihre Gebäude wurden abgerissen. Bäume und Sträucher im Elbvorland wurden regelmäßig entfernt, um freie Sicht- und Schussfelder zu schaffen.

Heute erinnern noch ein alter Wachturm und Teile des Zauns an diese menschenfeindliche Praxis. Wir steigen kurz ab, lesen die Tafeln und lassen die Atmosphäre auf uns wirken. Hier, wo damals Angst und Kontrolle herrschten, zwitschern heute Vögel und breitet sich Natur aus.

Genau darin liegt die paradoxe Schönheit dieser Region: Aus dem einstigen Todesstreifen ist ein Rückzugsraum für Tiere und Pflanzen entstanden – das Grüne Band. Auf rund 12.500 Kilometern zieht es sich entlang des ehemaligen Eisernen Vorhangs durch ganz Europa. Weil die Flächen über Jahrzehnte kaum betreten oder bewirtschaftet wurden, konnte sich hier ein einzigartiges Biotop entwickeln. Heute gilt das Grüne Band als längster Biotopverbund Europas – ein stilles Erbe der Teilung, das Hoffnung macht.

Und so schwingen wir uns wieder in den Sattel: mit den Gedanken bei den Geschichten von damals, die noch immer an den Tafeln und Türmen haften – und mit dem Blick auf die üppige, unberührte Natur, die sich ihren Raum zurückerobert hat.

Wir überqueren die Elbe ein letztes Mal per Fähre und landen in Bleckede. Hier verbringen wir den Rest des Tages im anliegenden Freibad und machen uns fit für den allerletzten Abschnitt unserer Tour.

Alter Grenzturm in Mecklemburg-Vorpommern

Zehnter Tag - wenn der Wind von vorne kommt

Lüneburg

Nach einer erholsamen Nacht in Bleckede machen wir uns auf zur letzten Etappe. Mehr als 40 Kilometer stehen noch einmal auf dem Plan – ein guter Grund, früh aufzubrechen. Seit die Temperaturen die 30-Grad-Marke kratzen, rollen wir spätestens um 9 Uhr los, um nicht in der Mittagshitze zu stranden.

So verlassen wir Bleckede pünktlich, radeln noch einmal linksseitig durch Niedersachsen entlang der Elbe und genießen die vertrauten Bilder: weite Wiesen, glänzendes Wasser, sattes Grün. Doch schon nach den ersten Kilometern merken wir, dass uns diesmal ein neuer Gegner begleitet – der Wind.

Es heißt, den Elberadweg solle man am besten gegen den Strom fahren, also von Norden nach Süden, weil der Wind dort häufiger von hinten schiebt. Ein guter Tipp – den wir bei dieser Etappe vernachlässigt haben. Und so strampeln wir uns nun auf der letzten Etappe ordentlich ab, während uns der Wind frontal ins Gesicht bläst. Man könnte meinen, die Elbe wolle uns noch ein letztes Mal prüfen, bevor sie uns gehen lässt. Zwischen Schmunzeln und Schnaufen bleibt genug Zeit, um diesen Ratschlag für künftige Touren ganz oben auf die Merkliste zu setzen.

Trotz Windstärke und schweißtreibendem Endspurt erreichen wir Lauenburg, was von der anderen Elbseite grüßt und sich die Elbe sich noch einmal eindrucksvoll präsentiert. Von hier biegen wir bei Hohnstorf in den Elbe-Seitenkanal ab und nehmen Kurs auf Lüneburg, unser letztes Quartier – mit Pool, versteht sich. Ein letztes Mal springen die Kinder ins Wasser, bevor uns am nächsten Tag der Zug wieder zurück in die Heimat bringt.

Damit endet unsere dritte Etappe auf dem Elberadweg – und wir ziehen ein rundum positives Fazit. Der Weg ist bestens ausgebaut, flach, familienfreundlich und bietet unterwegs eine Fülle an Eindrücken: von lebendigen Städten über stille Deichlandschaften bis hin zu tierischen Begegnungen. Ob Hausboot, Bauernhof oder Pool-Pension – jede Unterkunft hatte ihren eigenen Charme. Wir haben nette Menschen getroffen, die Natur in vollen Zügen genossen und viele kleine Abenteuer erlebt.

Kurzum: Der Elberadweg ist ein ideales Reiseziel für aktive Familien – abwechslungsreich, landschaftlich wunderschön und mit jeder Menge Entdeckerpotenzial. Selbst Gegenwind kann daran nichts ändern.

Elbe Seitenkanal bei Lüneburg

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Das war unser Elberadweg-Abenteuer 2025 

Nach exakt 345 Kilometern erreichen wir Lüneburg – mit müden Beinen, aber voller Eindrücke: Hausboot, Störche, Burgen, Seen und jede Menge Gegenwind. Der Elberadweg: flach, familienfreundlich und einfach wunderschön. Warum nicht über einen Städttrip nach Amsterdam weiterlesen?