A lo cubano – von Havanna bis zu den Cayos! Unsere Reise beginnt im quirlig-chaotischen Havanna, führt weiter ins grüne Tabakparadies von Viñales, durch die koloniale Bilderbuchstadt Trinidad und über einen kurzen Stopp in Cienfuegos bis hin zu den Traumstränden der Cayos. Dazwischen liegen Oldtimerfahrten, Hummerorgien, zu viele Maní-Pralinen und jede Menge Cuba Libre. Einmal quer durchs Land – mit allem, was Kuba so unverwechselbar macht: Musik, Improvisationstalent und einer ordentlichen Portion Charme.

Mittagssonne, Musik, Melancholie: Ankommen in Kuba

Havanna

Mittagssonne, historisches Flair, tropische Luft. Schon beim Ankommen spürt man: Kuba tickt anders. Nicht Hotels, sondern vor allem die Casas Particulares geben hier den Ton an. Private Gästezimmer, oft ein oder zwei Räume in einer normalen Wohnung, die Kubaner:innen an Reisende vermieten. Offiziell erlaubt, staatlich reguliert und preislich fix. Feilschen? Zwecklos. Dafür bekommt man etwas viel Wertvolleres: einen Einblick ins echte kubanische Leben. Gastmütter kochen, waschen und sorgen dafür, dass man sich fühlt wie im Hotel „Mutti Deluxe“.

Mein gebuchtes Zimmer ist allerdings belegt. „¡No pasa nada!“, meint der Gastgeber entspannt – kein Problem. Ein Anruf genügt, und ich lande beim Nachbarn Martín und seiner Frau. Kuba funktioniert über Netzwerke: Wer kein Zimmer hat, wird vermittelt – Cousine, Tante oder Nachbar springen ein. So bekomme ich gleich ein ganzes Apartment für 25 Dollar die Nacht. 50er-Jahre-Charme inklusive: Möbel wie aus einem alten Film, dazu ein Röhrenfernseher aus den 80ern. Besonders „spannend“ ist der Duschkopf, in den Kabel hinein- und

herausragen, um das Wasser elektrisch zu erhitzen. Ein kleiner Stromschlag beim ersten Duschen – gratis inklusive. Willkommen in Kuba.

Frisch gewaschen, leicht elektrisiert und gut gelaunt fahre ich zurück zum Flughafen, um meine bessere Hälfte abzuholen. Während ich warte, landen gleich drei Maschinen aus Miami. Nach den Lockerungen im US-Embargo ist die Einreise einfacher geworden. Am Gate spielen sich emotionale Szenen ab: Exilkubaner:innen, die ihre Familien nach Jahren wiedersehen. Tränen, Umarmungen, pure Freude. Dann kommt auch die Liebste – und unser Abenteuer beginnt.

Am nächsten Tag tauchen wir in die Hauptstadt ein. Havanna, mit rund 2,1 Millionen Einwohnern die größte Stadt der Karibik, wurde 1519 von den Spaniern gegründet. Über Jahrhunderte war sie das Tor zwischen der „Neuen Welt“ und Europa: Von hier segelten die mit Gold, Silber und Zucker beladenen Flotten nach Spanien. Heute ist die Stadt ein faszinierendes Kaleidoskop aus kolonialer Pracht, sozialistischer Patina und purer Lebensfreude.

Trogbrücke des Elbe-Havel-Kanals

Von Habana Vieja bis Buena Vista 

Havanna

Ein Spaziergang durch die Altstadt Habana Vieja ist wie eine Zeitreise. Kopfsteinpflastergassen, bunte Kolonialhäuser, kleine Handwerksmärkte, auf denen Künstler:innen Bilder, Schmuck und Skulpturen anbieten. Wir schlendern vorbei an der Plaza de la Catedral, werfen einen Blick in die Bar „La Bodeguita del Medio“, wo schon Ernest Hemingway Stammgast war. Die Wände voller eingeritzter Namen und Unterschriften erzählen von Jahrzehnten touristischer Pilgerfahrten – ein Ort zwischen Mythos und Massenbetrieb.

Später lassen wir uns zu einer Stadtrundfahrt in einem pinken ’62er Chevy überreden. Fahrer Ángel – eigentlich studierter Ingenieur – erzählt vom Alltag. Sein Monatslohn vom Staat: 26 Dollar. „Davon kann man nicht leben.“ Also fährt er Touristen durch die Stadt. An einem guten Tag verdient er 20 Dollar plus Trinkgeld – fast sein Monatslohn in nur wenigen Stunden. Dass ein Oldtimer zwischen 20.000 und 30.000 Dollar kostet, wirkt absurd. Aber Kuba tickt anders: Autos sind knapp, die Nachfrage bestimmt den Preis. Meist springt die Familie in den USA mit Überweisungen ein – so wird der Alltag irgendwie am Laufen gehalten.

Wir verlassen die engen Gassen von Habana Vieja, rollen mit dem pinken Oldtimer vorbei am Kapitol über den Malecón und nach Vedado. Breite Alleen, alte Villen und das imposante Hotel Nacional ziehen vorbei – einst Treffpunkt der US-Mafia, heute Pilgerort für Tourist:innen. Sinatra soll hier gesungen haben, während nebenan Deals über Glücksspiel und Zigarren liefen. Jetzt sitzen Paare mit Cocktails auf der Terrasse, und sobald die 

Sonne untergeht, erwacht das Viertel mit Jazz, Salsa und nächtlichem Leben.

Am Nachmittag zieht es uns erneut zum Malecón, der kilometerlangen Uferpromenade, die Havanna mit der See verbindet. Hier trifft sich halb Havanna: Fischer mit ihren Angeln, verliebte Paare auf der Mauer, Jugendliche mit Gitarren und Trommeln. Der Wind trägt Salz und Musik, während die Oldtimer im Abendlicht vorbeirattern – vielleicht der authentischste Ort, um die Seele dieser Stadt zu spüren.

Am nächsten Tag fahren wir mit dem Bus hinaus zu den Playas del Este. In nur 20 Minuten ist man raus aus der Großstadt und steht an einem weiten Strand mit Palmen, hellem Sand und türkisfarbenem Wasser. Perfekt, um dem Trubel der Stadt zu entfliehen – zumindest theoretisch. Praktisch macht uns das Wetter einen Strich durch die Rechnung: graue Wolken, Nieselregen, kein Badetag.

Also machen wir das Beste daraus: Wir suchen Schutz in einer Strandbar und bestellen Cuba Libre. Oder besser: mehrere. Rum, Cola, Limette – wenn schon kein Sonnenbad, dann wenigstens ein gepflegtes Trinkgelage auf kubanische Art. Auch das ist Havanna: improvisieren, genießen, lachen – und sich nicht aus der Ruhe bringen lassen.

Abends besuchen wir den Buena Vista Social Club. Auf der Bühne stehen Ikonen der kubanischen Musikszene, viele jenseits der 70, aber voller Energie. Klassiker, Son Cubano, Salsa – Nostalgie pur. Ein perfekter Abschluss für Havanna, bevor es weitergeht nach Viñales, ins Land von Tabakfeldern und Kaffeepflanzen. Natürlich mit Empfehlung einer neuen Casa Particular – Netzwerk eben.

Tabak, Hummer und Maní-Overdose im grünen Tal

Viñales

Mit einem Oldtimer-Shuttle geht es nach Viñales, ins grüne Herz des Westens. Hier landen wir bei unserer neuen Gastmutter Magaly – und stellen schnell fest: Sie ist eine ausgezeichnete Köchin. So gut, dass wir kurzerhand eine Nacht länger bleiben, gezwungenermaßen, könnte man sagen: Ihre Kochkünste lassen keine Flucht zu. Nebenbei bekommen wir die Wäsche frisch duftend und gebügelt zurück – Service, den kein Hotel toppen kann.

Nur eines treibt mich fast in den Wahnsinn: Maní, kleine Pralinen aus Erdnüssen und Zucker. Andrea lobt sie überschwänglich, ich kaue mich durch und stelle fest: Zwei Bissen decken den Kalorienbedarf für den ganzen Tag. Doch Magaly hört nicht auf, uns ständig neue Portionen anzubieten. Unsere gute Erziehung zwingt uns, tapfer zu lächeln und zu essen.

Am nächsten Tag satteln wir auf: Unsere Pferde Mojito und Coco Loco tragen uns durch das malerische Viñales-Tal. Zwischen Karstfelsen und sattgrünen Feldern besuchen wir einen Tabakbauern. Er erklärt die Kunst der kubanischen Zigarren: vom Trocknen der Blätter bis zum Einlegen in eine Mischung aus Honig, Rum und Zitronensaft, die für das besondere Aroma sorgt. Doch 90 % der Ernte muss er an den Staat abgeben – nur 10 % bleiben für Eigenbedarf oder privaten Verkauf. Wir drehen selbst eine Zigarre und probieren. Gar nicht mal so schlecht – fast schon Gewöhnungssache.

Auch unser Cowboy-Guide Pablo erzählt von den Zwängen: 95 % seiner Einnahmen gehen an den Staat. Nach Abzug der Kosten für die Pferde bleibt kaum etwas übrig. Mit einem schlechten Gewissen kehren wir am nächsten Tag noch einmal zurück – und stocken unser Trinkgeld auf.

Am zweiten Tag schwingen wir uns aufs Rad, strampeln durchs Tal und besichtigen eine Höhle, in der sich einst entflohene Sklaven versteckten. Geschichte und Landschaft liegen hier dicht beieinander.

Abends wartet erneut ein Festmahl: Suppe, Süßkartoffeln, Gemüse, Früchte – und als Krönung Hummer satt. Wir essen, bis nichts mehr geht. Nur beim Dessert muss ich wieder passen: Maní. Ich verstecke die Pralinen diskret in der Tasche – der Vorrat wächst.

Doch gerade beim Hummer wird uns die Absurdität des Systems klar: Unsere Gastmutter darf solch kostbare Lebensmittel nur kaufen, weil sie Touristen bewirtet. Für normale Kubaner:innen sind Fleisch oder Meeresfrüchte oft unerreichbar – schlicht nicht vorgesehen. Wir genießen also ein Mahl, das für die Einheimischen undenkbar ist. Das macht uns ein schlechtes Gewissen, und wir versuchen umso mehr, gute Gäste zu sein – mit Trinkgeld, Respekt und echter Wertschätzung.

Nach zwei Tagen fällt der Abschied schwer – von der Landschaft, den Menschen und vor allem Magalys Kochkünsten. Zum Abschied drückt sie uns noch eine Extraportion Maní in die Hand. Mein Geheimvorrat ist jetzt endgültig gesichert.

Perle des Südens im Schnelldurchlauf

Cienfuegos

Wir reisen weiter nach Cienfuegos, die „Perle des Südens“. Die Stadt wurde im frühen 19. Jahrhundert von französischen Einwanderern gegründet – und das merkt man ihr an: breitere Straßen, klassizistische Fassaden, ein Hauch von Ordnung, der in Havanna oft fehlt. Knapp 150.000 Menschen leben hier, und die Altstadt gehört seit 2005 zum UNESCO-Welterbe.

Trotzdem: Unser Funke will nicht so recht überspringen. An einem Nachmittag haben wir das Wichtigste gesehen – den zentralen Parque José Martí mit seinem neoklassizistischen Theater und der Kathedrale, den Malecón mit Blick aufs Meer und ein paar altehrwürdige Hotels, die in Kuba irgendwie immer selbst zur Sehenswürdigkeit gehören. Von einem Strandbesuch sehen wir ab. Andrea schwärmt von den Cayos im Norden, ich will zurück nach Trinidad – und sogar unser Taxifahrer bestätigt: „Die schönsten Strände Kubas liegen dort.“ Also beschließen wir, Cienfuegos nur als kurzen Zwischenstopp zu verbuchen.

Am Abend landen wir schließlich in einem Restaurant. Die Wahl ist nicht leicht, denn hier gibt es weniger Tourist:innen – dafür umso mehr „Reinschmeißer“, die uns lautstark in ihre Lokale 

locken wollen. Wir geben nach, finden eine nette Location mit Live-Musik und gutem Essen. Überraschung dann beim Bezahlen: Plötzlich tauchen mysteriöse Zusatzsteuern auf, die es so eigentlich nicht gibt. Aber ich hatte meiner besseren Hälfte versprochen, mich nicht aufzuregen – also lächle ich, nicke und zahle.

Am nächsten Morgen geht es weiter. Unsere Gasteltern haben wieder einen Transfer organisiert, wie immer völlig unkompliziert. Ein schlechtes Gewissen bleibt – die Casa Particular war gemütlich, die Gastgeber herzlich. Aber die Lust auf Strand ist inzwischen übermächtig. Unser nächster Halt heißt Trinidad – und dort warten Sonne, Kolonialflair und die Playa Ancón.

Und da fällt mir mein erster Aufenthalt 2012 wieder ein: Auch damals hatte mich Trinidad sofort begeistert – nur leider regnete es damals tagelang. Am Ende meines Geburtstags blieb nichts anderes, als mich in den Bars mit Mojitos zu trösten. Irgendwann war das Eis alle, dann der Rum – und schließlich fiel auch noch der Strom aus. Ein chaotischer, aber unvergesslicher 32. Geburtstag. Diesmal soll es besser laufen.

Dom in Havelberg

Koloniale Pracht in Trinidad

Trinidad

Diese malerische Kolonialstadt im Süden Kubas, ist ein echter Hingucker. Wir ziehen in unsere nächste Casa Particular ein, wählen schon einmal unser Abendessen aus – so läuft das hier – und machen uns gleich auf den Weg zur Playa Ancón, einem herrlichen Strand nur wenige Kilometer vor den Toren der Stadt. Endlich Urlaubsfeeling pur: Sand, Palmen, Meer.

Am Abend spazieren wir durch das historische Zentrum. Trinidad wurde bereits 1514 von den Spaniern gegründet und gehört damit zu den ältesten Städten Kubas. Seine wahre Blüte erlebte es im 18. und 19. Jahrhundert, als Zucker das „weiße Gold“ war. Mithilfe versklavter Menschen aus Afrika entstand hier enormer Reichtum: prächtige Kolonialvillen, reich verzierte Kirchen und das Kopfsteinpflaster, das bis heute die Straßen prägt. Die gesamte Altstadt steht seit 1988 auf der UNESCO-Welterbeliste – und das merkt man sofort: bunt gestrichene Häuser, Pferdekarren, Musiker auf den Plätzen, kleine Handwerksmärkte. Es ist, als sei die Zeit stehen geblieben.

Wir treffen Frank und Leigh, ein amerikanisches Pärchen, das wir schon in Viñales kennengelernt hatten. Perfektes Timing: Es ist Samstag, und die Stadt pulsiert. Auf den Plazas wird musiziert, getanzt und gefeiert. Wir landen in einer kleinen Cocktailbar am Straßenrand – Mojito, Cuba Libre oder Daiquiri gibt es für einen Dollar. Nette Gesellschaft und günstige Drinks – was will man mehr?

Der nächste Tag läuft ähnlich, nur dass wir uns mit einem ordentlichen Kater an den Strand kämpfen. Ich probiere mit diesen mit einer „Tú Kola“ entgegenzuwirken – der sozialistischen Version von Coca Cola. Eigentlich der Inbegriff eines entspannten Ferientages.

Ganz entkommen wir der Geschichte aber nicht: Vor den Toren der Stadt liegt das berühmte Valle de los Ingenios – das „Tal der Zuckermühlen“. Hier befanden sich einst mehr als 50 Plantagen und über 30.000 versklavte Menschen schufteten unter unmenschlichen Bedingungen. Zucker machte Trinidad reich – und gleichzeitig zu einem Symbol für koloniale Ausbeutung. Besonders eindrucksvoll ist der Manaca-Iznaga-Turm: 45 Meter hoch, diente er im 19. Jahrhundert dazu, die Sklaven bei der Arbeit zu überwachen. Heute kann man ihn besteigen und hat einen weiten Blick über das Tal – idyllisch und bedrückend zugleich. Alte Herrenhäuser, Baracken und ein kleines Museum erinnern an diese Zeit, in der Wohlstand und Leid untrennbar verbunden waren.

Wir schenken uns den Ausflug diesmal, weil ich das Tal schon bei einem früheren Besuch gesehen habe. Stattdessen schlendern wir noch einmal durch die Altstadt. Aber auch ohne Valle bleibt Trinidad beeindruckend: fotogen, farbenfroh und voller Leben. Eine Stadt, die nicht nur schön, sondern auch geschichtsträchtig ist. Trinidad, du warst ein zweites Mal genauso sehenswert wie beim ersten Besuch – vielleicht sogar noch ein bisschen mehr.

Animación und All-Inclusive auf den Cayos

Cayo Santa María

Wir fahren weiter nach Cayo Santa María, eine der Inseln im Archipel vor der Nordküste Kubas. Die Cayos de Villa Clara sind eine Inselgruppe und über einen fast 50 Kilometer langen Damm mit dem Festland verbunden – ein gigantisches Bauprojekt, das erst in den 1990ern fertiggestellt wurde. Schon seit Tagen erzählen uns Kubaner:innen, dass hier die schönsten Strände des Landes liegen. Zeit also, uns selbst zu überzeugen.

Schnell merken wir: Auf den Cayos gibt es keine Casas Particulares. Die Küstenlinie ist fest in der Hand von All-Inclusive-Hotels, eine Parallelwelt zum restlichen Kuba. Also buchen wir auf Gedeih und Verderb ein günstiges Resort – und trauen beim Ankommen kaum unseren Augen. Plötzlich stehen wir in einem 5-Sterne-Hotel mit riesiger Lobby, Poollandschaft und üppigen Buffets. Ich hätte nie gedacht, dass es so etwas in Kuba überhaupt gibt.

Am Strand bestätigt sich dann, was alle versprochen haben: türkisblaues Wasser, weißer Sand wie Puderzucker, Palmen im Wind. Ein Postkartenmotiv jagt das nächste – und ja, der Traumstrand versöhnt uns mit dem Kulturschock.

Doch am Buffet kommt die Ernüchterung. Essen in Hülle und Fülle, üppig und vielfältig – während ein paar Kilometer weiter viele Kubaner:innen schauen müssen, wie sie über die Runden kommen. Der Gegensatz wirkt bizarr. Auch die Strände sind streng an die Hotels gekoppelt – wer nicht Gast ist, hat kaum Zugang zu diesem Paradies. Wir, die bisher so authentisch durch Kuba gereist sind, landen hier plötzlich mitten in einer Scheinwelt.

Nach kurzer Eingewöhnung geben wir uns dann doch dem All-Inclusive-Rhythmus hin: erste Mojítos direkt nach dem Frühstück, Katamaran-Ausflug. Dazu das tägliche „Animación!“-Gebrüll der Animateure – irgendwann kennt man den Takt. Zwischendurch plaudern wir mit den Köchen, die vom „echten Leben“ auf der Insel erzählen – weit entfernt vom Schlaraffenland, das hier für Tourist:innen aufgebaut wird.

Nach drei Tagen sind wir so braun wie Dieter Bohlen nach einem Malle-Sommer und wissen: Es reicht. So schön die Strände, so ungesund wirkt diese Blase. Wir machen uns auf den Rückweg nach Havanna, mit einem Zwischenstopp in Santa Clara – einer Stadt, die ganz im Zeichen von Che Guevara steht.

Santa Clara – Ein Foto vom Che

Santa Clara

Auf dem Rückweg von den Cayos machen wir Halt in Santa Clara – jener Stadt, die wie kaum eine andere mit der kubanischen Revolution verbunden ist.

Im Dezember 1958 war Santa Clara der Schauplatz einer der entscheidenden Schlachten gegen das Batista-Regime. Unter dem Kommando von Ernesto „Che“ Guevara griffen die Rebellen die strategisch wichtige Stadt an. In einem zweitägigen Schlagabtausch gelang es ihnen, die Batista-Truppen zu besiegen – unter anderem, indem sie mit Bulldozern einen Militärzug entgleisen ließen, der Waffen und Nachschub bringen sollte. Mit der Einnahme von Santa Clara war der Durchbruch geschafft: Der Weg nach Havanna lag frei. Nur wenige Tage später, am 1. Januar 1959, floh Diktator Fulgencio Batista ins Exil. Der Sieg von Santa Clara gilt bis heute als die größte militärische Leistung Ches – und als Schlüsselmoment für den Erfolg der Revolution, die Fidel Castro und seine Mitstreiter an die Macht brachte.

Heute ist Santa Clara eine Art Pilgerstätte. Am Rande der Stadt erhebt sich das imposante Che-Guevara-Monument, überragt von einer überlebensgroßen Bronzestatue. Unterhalb befindet sich das Mausoleum, in dem die sterblichen Überreste Guevaras 

ruhen. Sie wurden 1997 aus Bolivien überführt, wo Che 1967 im Kampf gefallen war. Direkt daneben liegt ein Museum, das sein Leben nachzeichnet: vom jungen Arzt über den Guerillakämpfer bis hin zum Revolutionär, der zum Mythos wurde. Ausgestellt sind persönliche Gegenstände, Briefe, Uniformen und Fotos, die den Menschen hinter der Ikone greifbarer machen.

Wir selbst haben aus Zeitgründen nur Gelegenheit, das Monument von außen zu besuchen und ein paar Fotos zu machen. Doch auch das genügt, um die Bedeutung des Ortes zu spüren. Hier ist Che mehr als ein Gesicht auf Postern oder T-Shirts – er ist Teil der offiziellen Geschichtsschreibung, Held und Heiliger zugleich.

Gleichzeitig zeigt Santa Clara aber auch die Ambivalenz des heutigen Kuba: ein Land, das seine revolutionären Helden verehrt, während viele Menschen im Alltag mit Mangelwirtschaft, staatlicher Kontrolle und den Schattenseiten des Kommunismus kämpfen. Vielleicht ist es gerade dieser Kontrast, der Santa Clara zu einem so besonderen Ort macht – zwischen Mythos und Realität, Erinnerung und Gegenwart.

Che Guevara Statue in Santa Clara

Adiós Kuba – vom Kommunismus in den Kapitalismus

Havanna

Am nächsten Morgen heißt es auch für mich: Adiós Kuba. Um fünf Uhr früh stehe ich am Flughafen von Havanna. Alles wirkt verschlafen, das Einchecken geht problemlos. Hunger habe ich auch – also auf zur Cafeteria. Der Weg dorthin führt mich vorbei an einem Souvenirshop, einer Apotheke und einem Musikladen. In allen dasselbe Bild: Verkäufer, die mit dem Kopf auf dem Tresen oder nach hinten gelehnt im Stuhl schlafen. Stören will man da nicht.

In der Cafeteria angekommen, entdecke ich in der Vitrine ganze zwei einsame Sandwiches – eins mit Schinken, eins mit Salami. Dazu gibt’s Kaffee. Die Auswahl ist überschaubar, die Bedienung unmotiviert, aber immerhin werde ich satt. Irgendwie passt diese Szene: eine Mischung aus Leere, Resignation und Improvisation. Ein Sinnbild für den Alltag im Kommunismus.

Wenig später hebt die Maschine ab. Zwischenlandung in Panama City – und der Kulturschock schlägt ein wie ein Donnerschlag. Der Flughafen ist ein gigantiger Konsumtempel. Apple, Sony, Dunkin’ Donuts, Versace – Marken, die es auf Kuba praktisch nicht 

gibt, reihen sich hier Tür an Tür. Regale biegen sich vor Waren, Food Courts überquellen vor Fast Food. Nach zwei Wochen Mangelwirtschaft wirkt diese Überfülle fast obszön. Ich brauche einen Moment, um das alles einzuordnen. Dazu kommt noch gratis WLAN – und schon prasseln WhatsApps und E-Mails herein. Willkommen zurück im 21. Jahrhundert.

Der Anschlussflug nach Managua wird dann noch einmal spannend. Kaum abgehoben, verwandelt sich die Kabine in eine Sauna – die Klimaanlage hat offenbar versagt. Alle hecheln, die Crew wirkt ratlos. Für einen Moment male ich mir aus, dass wir auf halber Strecke verglühen. Glücklicherweise dauert der Flug nicht lang. Dafür entschädigt der Ausblick: Bei klarer Sicht schweben die Vulkane Madeira, Concepción, Mombacho und Masaya majestätisch unter uns vorbei – ein spektakulärer Anblick, der die stickige Luft für kurze Zeit vergessen lässt.

Dann setzt die Maschine auf, frische Luft strömt herein. Ich atme tief durch. Hinter mir liegt Kuba – ein Land voller Widersprüche, voller Musik, voller Improvisation. Und vor mir wartet das nächste Kapitel der Reise.

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Das war Kuba!

Kuba verabschiedet sich mit genau dem, was es ausmacht: Widersprüchen, Charme und einer unerschütterlichen Lebensfreude. Zwischen Oldtimern und Mojitos, zwischen Mangel und Musik bleibt vor allem eines hängen – dieses Land lebt „a lo cubano“. Und genau das macht es unvergesslich. Über Panama City geht es nach Nicaragua.