Kalifornien, Canyons, Cowboy-Gefühl – 4.000 Kilometer quer durch den Wilden Westen der USA. Mit dem Mietwagen durch Wüste und Wald, vorbei an Neonreklamen, Naturwundern und nostalgischer Route-66-Romantik. Von Las Vegas bis Los Angeles, von staubig bis spektakulär – alles dabei. Und ja, auch ein Cop, ein Düsenjet und ein Motel mit Mordpotenzial.
Bunte Lichterwelt in Sin City
Las Vegas
Wir fliegen über die Weiten der Wüste Nevadas und setzen zum Landeanflug auf Las Vegas an. Neben uns sitzt eine junge Frau. Sie fragt: „Is this your first time in Vegas?“ Ich nicke. „How long are you staying?“ – „Nur eine Nacht, morgen geht’s weiter.“ Sie schaut mich entgeistert an. „Only one night? I’m staying a whole week. Vegas is so much fun!“ Ich erkläre, dass wir auf einen Roadtrip durch die Nationalparks unterwegs sind. „National Parks? Road trip?“ Sie schaut uns an wie einen fremden Planeten. Okay – sie will feiern, wir wollen Natur. Beide haben offenbar einen Plan.
Nach der Landung übernehmen wir unseren Mid Size SUV – groß, mächtig, PS-stark, amerikanisch bis in die Radkappen. Wir fahren in die Stadt und checken in unser Motel ein. Ein echtes Schnäppchen im Vergleich zu den sonstigen US-Preisen – leider auch optisch. Die Unterkunft wirkt wie ein Set aus Psycho oder From Dusk Till Dawn. In amerikanischen Serien enden Nächte in solchen Motels selten gut. Ich beschließe: Eine Nacht wird's schon gutgehen. Zur Sicherheit lasse ich das Licht und den Fernseher an. Falls Einbrecher oder Serienkiller mitlesen: bitte einfach weitergehen.
Wir machen uns auf den Weg zum Strip, der berühmten Hauptschlagader von Las Vegas. Links und rechts reihen sich Hotelpaläste, Neonreklamen, Showplakate, Nachbauten der.
Freiheitsstatue, des Empire State Buildings, ja sogar des Eiffelturms. Spielhallen, Souvenirshops, schräge Gestalten. Unser Ziel ist nicht das große Geld am Automaten, eher ein bisschen Staunen und Gucken. Eine kleine Oase ist die Wassershow vorm Bellagio: Fontänen tanzen elegant zu Singing in the Rain – für einen kurzen Moment sind wir wirklich beeindruckt.
Las Vegas wurde 1905 gegründet und hat sich vom Eisenbahnknoten in der Wüste zur selbsternannten Entertainment-Hauptstadt der Welt gemausert. Über 40 Millionen Besucher pro Jahr kommen wegen Shows, Hochzeiten, Casinos – oder um einfach mal das Gefühl zu haben, dass alles möglich ist. Der berühmte Las Vegas Strip ist rund sieben Kilometer lang, viele der größten Hotels der Welt stehen hier. In der Nähe locken aber auch echte Naturwunder wie das Death Valley, der Zion Nationalpark oder der Grand Canyon – wenn man sich denn vom Roulette-Tisch lösen kann.
Nach zwei Stunden haben wir genug: Glitzer, Glanz, Plastikparadies. Auf der anderen Straßenseite geht’s zurück – was sich als schwierig erweist, denn selbst Fußgänger werden hier durch Casinos geschleust. Zurück im Motel ziehe ich die Vorhänge zu, verriegle die Tür und hoffe, dass auch Serienkiller mal Feierabend haben.

Über die Route 66 zum Grand Canyon
Route 66 und Grand Canyon
Raus aus der Stadt der Sünde, rein in die Wüste. Vor den Toren von Las Vegas stoppen wir am Hoover Damm – einer beeindruckenden Konstruktion aus Beton, Technik und Größenwahn. Klar, irgendwoher muss ja der Strom für all die blinkenden Spielautomaten und glitzernden Hotels kommen. Ein halbstündiger Fotostopp genügt – Staudamm abgehakt, weiter geht’s.
Wir wollen ein Stück auf der alten Route 66 fahren – der legendären „Mother Road“, die einst Chicago mit Los Angeles verband. Früher Symbol für Freiheit und Fernweh, heute größtenteils von Highways abgelöst. Aber einige Nostalgie-Abschnitte gibt es noch. Hinter Seligman verlassen wir die Schnellstraße und cruisen über den alten Asphalt. An einer ehemaligen Tankstelle – heute Touri-Shop – posieren alte Cadillacs und rostige Zapfsäulen für Selfies. Ein angenehmer Umweg, der sich wie eine Zeitreise anfühlt.
Weiter geht’s Richtung Grand Canyon. Unser Motel diesmal: weniger From Dusk Till Dawn, mehr Brady Bunch. Ich verzichte auf Lichtfallen für Mörder und schlafe ganz entspannt.
Am nächsten Morgen sind wir früh dran. Mather Point, am South Rim, ist unser Startpunkt. Und ja – der Grand Canyon ist wirklich riesig. Keine Postkarte, kein Reiseführer bereitet einen auf diese
Dimension vor. Schluchten, Terrassen, Farben – ein geologisches Spektakel auf Steroiden. Wir wandern entlang der Klippen von einem Aussichtspunkt zum nächsten, und obwohl sich der Blickwinkel ständig ändert, bleibt eines gleich: das Staunen.
Der Grand Canyon ist etwa 450 Kilometer lang, bis zu 1.800 Meter tief und entstand über Millionen Jahre durch die Erosionskraft des Colorado River. Der South Rim ist der meistbesuchte Teil, gut erschlossen und das ganze Jahr zugänglich. Wer auf die andere Seite – den North Rim – will, braucht Zeit: Entweder ein ganztägiger Umweg mit dem Auto oder ein Abstieg über den Bright Angel Trail ins Tal. Letzteres wäre ambitioniert. Unser Lonely Planet warnt: „Down is optional. Up is mandatory.“ Zu heiß, zu weit, zu viel. Ohne Genehmigung und Übernachtung im Canyonboden ohnehin nicht möglich. Also bleiben wir oben – und bereuen es keine Sekunde.
Auch vom Rand aus ist die Aussicht spektakulär. Mein Selfiestick läuft heiß, aber selbst mit Panorama-Modus passt der Canyon kaum ins Bild. Als sich am Abend die Sonne langsam senkt und der Canyon in rötliches Licht getaucht wird, schweigen alle um uns herum. Für ein paar Minuten zumindest. Dann geht’s zurück ins Motel – diesmal ohne Serienkiller-Paranoia, aber mit einem leichten Sonnenbrand und sehr vielen Fotos.
Wilder Westen im Monument Valley
Monument Valley
Das hat Spaß gemacht! Gerne wären wir noch einen Tag länger am Grand Canyon geblieben, aber es gibt einfach zu viele andere spektakuläre Orte zu entdecken. Wir machen uns auf den Weg ins Monument Valley – vielleicht nicht jedem namentlich bekannt, aber fast jeder hat es schon einmal gesehen. John Wayne hat hier seine Colts gezückt, Marty McFly raste im DeLorean durch die roten Felsen, und selbst die Marlboro-Männer der Werbewelt fanden das Panorama filmreif.
Schon die Anfahrt ist großartig. Am Horizont tauchen die ersten der berühmten Felsformationen auf – sogenannte „Monuments“, die wie überdimensionale Skulpturen aus dem Wüstenboden ragen. Das Tal liegt auf dem Gebiet der Navajo Nation, einem souveränen Territorium der Navajo, der größten indigenen Bevölkerungsgruppe der USA. Die Navajo verwalten den Park selbst, haben eigene Regeln und betreiben u. a. die Eintrittskontrollen, Souvenirstände und geführten Touren. Am Eingang begegnen wir ein paar Navajo-Damen, die kunstvoll gefertigten Schmuck verkaufen. Kein aufdringlicher Tourikram, sondern echte Handarbeit.
Mit dem Auto geht es auf der sandigen Rundstrecke durch das Tal. Die Straße ist holprig, das Panorama dafür umso glatter. An einem Aussichtspunkt posiert sogar ein Cowboy auf seinem Pferd – für ein Trinkgeld gibt’s Western-Flair zum Mitnehmen. Okay, vielleicht nicht ganz so spontan, aber irgendwie passt’s trotzdem.
Monument Valley war einst Meeresboden – vor Millionen von Jahren hob sich die Erdkruste, das Wasser verschwand, der Wind blies über Jahrtausende den weichen Sand fort. Übrig blieben die bizarren Monolithen aus härterem Gestein. Wer sagt denn, dass Natur keine Geduld hat?
Ein Teil des Tals ist nur zu Pferd oder mit Guide zugänglich. Da wir das volle Cowboy-und-Indianer-Feeling mitnehmen wollen, satteln wir um: Ein Reitausflug steht an. Western-Idylle pur – fehlt nur der passende Hut. Auf unseren Pferden trotten wir durch die Prärie, vorbei an zerklüfteten Felsen und Kakteen. Keine Klapperschlange, kein Puma, aber dafür jede Menge Weitblick und Wüstenwind.
Der Grand Canyon war mächtig, keine Frage. Aber das Monument Valley – das war Kino zum Mitreiten. Und mein persönliches Highlight bisher.
Schmale Spalte, großes Staunen – im Antelope Canyon
Antelope Canyon
Wieder ein Canyon – aber diesmal anders. Und deutlich kleiner. Der Antelope Canyon ist von oben kaum zu erkennen, erst bei genauem Hinsehen entdeckt man eine schmale Felsspalte im Boden. Wer hinabsteigt, findet sich in einem nur rund 60 Zentimeter breiten Schlitz wieder, der sich wie ein Korkenzieher durch das rote Gestein windet. Ein Wunderwerk aus Sandstein, das sich über Jahrtausende durch Wind, Wasser und Zeit geformt hat.
Vor dem Besuch wird bei uns diskutiert: Sollten wir wirklich rein? 1997 kamen bei einer plötzlichen Springflut im Canyon zwölf Menschen ums Leben, einige wurden bis heute nicht gefunden. Eine tragische Ausnahme, wie man sagt – aber die Gefahr ist real. Wir hoffen also auf Sonne und darauf, dass der Wetterbericht hält, was er verspricht.
Es gibt zwei Teile: den Upper und den Lower Antelope Canyon. Beide gehören zur Navajo Nation und dürfen nur mit Guide betreten werden. Der Upper ist größer und deutlich populärer – und dementsprechend auch teurer. Wir entscheiden uns für den Lower, in der Hoffnung auf weniger Trubel. Über eine steile Metalltreppe geht es rund 11 Meter in die Tiefe – und sofort ist man in einer anderen Welt.
Unser Guide erklärt uns die Entstehung: Vor Millionen von Jahren lag hier lockerer Sand, der durch Druck zu Sandsteinwurde.
Später brach der Fels durch ein Erdbeben auf, und über Jahrtausende formte Regenwasser die schmale Schlucht. Jeder Flutdurchlauf schmirgelte ein wenig mehr vom Gestein ab – heraus kamen geschwungene Wände, enge Kurven und diese fast schon unwirkliche Ästhetik.
Wir klettern, ducken uns, staunen. Die Farben changieren von Ocker über Rostrot bis zu Violett, je nach Lichtwinkel. Und dann – Glück! – durchbrechen Sonnenstrahlen die Felsspalte, sogenannte Beams, die wie Lichtschwerter durch die Dunkelheit schneiden. Ein magischer Moment, für den sich die ganze Kletterei gelohnt hat. Nach etwa einer Stunde ist der Besuch vorbei – kurz, intensiv und absolut empfehlenswert.
Direkt im Anschluss besuchen wir den Horseshoe Bend, eine spektakuläre Schleife des Colorado Rivers, der sich in einem dramatischen Bogen um einen Felsen windet. Der Abgrund ist nichts für schwache Nerven: kein Geländer, keine Absperrung – stattdessen ein freier Blick in die Tiefe. Ich bleibe vorsichtshalber einen Schritt zurück.
Zum Abschluss geht’s zum Lake Powell – Sonne tanken, Füße ins Wasser halten, kurz durchatmen. Der nächste Canyon kommt bestimmt. Aber dieser hier bleibt in Erinnerung – nicht wegen der Größe, sondern wegen der Schönheit im Detail.
Zwischen Wildwest-Charme und Wasserwandern
Zion Nationalpark
Raus aus der Wüste, rein ins Grüne. Unser nächstes Ziel ist der Zion National Park – und schon die Anfahrt ist ein Erlebnis. Die Straße windet sich durch schroffe, aber begrünt wirkende Felslandschaften, die mehr nach Gemälde als nach Realität aussehen. Die Fahrt zieht sich, aber die Aussicht entschädigt für jedes Schlagloch.
Wir übernachten im kleinen Ort Springdale, direkt vor den Toren des Parks. Endlich mal eine Unterkunft mit Charme – und mit dem fast vergessenen Gefühl: Man kann zu Fuß irgendwohin! Wer schon mal versucht hat, in einer typischen amerikanischen Kleinstadt spazieren zu gehen, weiß, dass man meist schneller dehydriert, als dass man von Block zu Block kommt. Hier aber geht das: Ein paar Läden, Cafés, alles fußläufig. Ich feiere das mehr, als ich zugeben möchte.
Am nächsten Morgen schnüren wir die Wanderschuhe – es geht auf den bekanntesten Trail des Parks: The Narrows. Der Name ist Programm: Wir waten durch einen schmalen Canyon, der zur Hälfte aus Fels, zur Hälfte aus Fluss besteht. Wandern mit nassen Füßen also – macht Laune, hat aber mit klassischem Hiking eher
wenig zu tun. Der Weg ist spektakulär, das Setting einmalig – leider teilen wir uns das Erlebnis mit einer ziemlich großen Menschenmenge. Natur und Massenauflauf passen eben nur bedingt zusammen. Zurück im Trockenen machen wir am Nachmittag noch eine Runde zu den Emerald Pools – zwei kleine, smaragdgrün schimmernde Wasserbecken, gespeist von zarten Rinnsalen, die über den Fels plätschern. Baden ist verboten, aber anschauen lohnt sich trotzdem. Und Abkühlung gibt's notfalls einfach mit den Füßen.
Der Zion National Park, gegründet 1919, ist übrigens der älteste Nationalpark im Bundesstaat Utah – und mit knapp 600 km² zwar einer der kleineren, aber definitiv einer der abwechslungsreicheren. Die Mischung aus engen Canyons, hohen Plateaus und versteckten Oasen macht ihn zu einem Liebling unter Wanderern und Naturliebhabern.
Mein Fazit: Zion ist kein stiller Geheimtipp mehr – aber ein Park mit Charakter. Wildwest-Flair, großartige Trails und ein kleiner Ort, in dem man ausnahmsweise mal ohne Auto existieren kann. Auch das zählt manchmal.

Hitze, Jetlärm und ein Hauch Hollywood
Death Valley
Auf dem Weg nach Bodie und dem Yosemite National Park durchqueren wir noch einmal Las Vegas – und kaum sind wir zurück im Großstadtdschungel, gibt’s auch schon Ärger: Meine Freundin übersieht die Geschwindigkeitsbegrenzung, ein Streifenwagen schaltet die Sirene ein und hängt sich an uns ran. Ich denke nur: Na super. Sie fährt rechts ran, zeigt sich einsichtig – und hat Glück. Der Cop lässt Gnade vor Recht ergehen und belässt es bei einer Verwarnung. Ich bin überzeugt: Wäre ich gefahren, hätten wir ein Souvenir in Form eines Strafzettels bekommen.
Nach diesem kleinen Nervenkitzel geht’s ab in die Extreme: Death Valley. Der tiefste und einer der heißesten Orte der Welt zeigt sich von seiner glühenden Seite – satte 45 °C. Zum Glück schnurrt unser SUV wie ein Kätzchen. In der Ferne flirrt die Luft, die Straßen ziehen sich endlos gerade durch die Wüste. Doch trotz aller Trockenheit hat das Death Valley National Park mehr zu bieten als nur Sand und Hitze: Wir stoppen an einem Aussichtspunkt, spazieren durch einen weiteren Canyon (diesmal mit Schweißgarantie) und bestaunen eine Dünenlandschaft, wie man sie in Nordamerika nicht unbedingt erwartet hätte.
Die berühmte Badwater Basin, eine große Salzwüste und gleichzeitig tiefster Punkt Nordamerikas, sparen wir uns leider – sie liegt etwas abseits, und wir wollen nicht riskieren, dass unser Auto schmilzt. Selbst übernachten kann man hier: Furnace Creek
bietet mit einem Motel mitten im Tal eine echte Hitzegarantie. Aber dieses Abenteuer heben wir uns fürs nächste Mal auf. Irgendwann verlassen wir die Wüste. Die Sonne steht tief, die Straße bleibt einsam, Freundin schläft. Auch ich kämpfe mit der Müdigkeit – bis plötzlich ein ohrenbetäubendes Dröhnen die Ruhe zerreißt. Ein amerikanischer Düsenjet schießt gefühlt 10 Meter über uns hinweg, schräg, schnell, laut. Ich schrecke hoch, schmeiße fast das Lenkrad weg – Sekunden später folgt der nächste. Klar, wir sind nicht weit von der sagenumwobenen Area 51 entfernt, da ist militärischer Flugbetrieb wohl Alltag. Aber mein Puls sagt: Danke, reicht.
In Independence, einem kleinen Ort auf der Westseite des Tals, checken wir in unser Motel ein. Unser Gastgeber Jim ist freundlich – und offensichtlich hitzeresistent: 45 °C seien nicht wirklich heiß, meint er. "50, 52 – that is really hot." Okay, noted.
Am Abend fahren wir noch nach Lone Pine, einen Ort weiter. Dort besuchen wir das Filmmuseum, denn in den umliegenden Alabama Hills wurden zahlreiche Western und Hollywood-Filme gedreht – darunter Iron Man, Django Unchained und der Trash-Klassiker Im Land der Raketenwürmer. Ich entdecke Requisiten, ein paar Originalkostüme und sogar Tarantinos Regiestuhl. Früher waren fast alle Einwohner von Lone Pine als Statisten im Einsatz. Ein netter Nebenjob – und ein würdiger Abschluss für einen Tag, der zwischen brennender Wüste und Kinotraum pendelte.

Goldrausch und Geister – Ein Besuch in Bodie
Bodie
Am nächsten Tag wartet ein persönliches Highlight auf uns. Zwischen dem glühend heißen Death Valley und dem grünen Yosemite Nationalpark liegt die legendäre Geisterstadt Bodie – eine Zeitreise zurück in die Wildwest-Ära.
Bodie wurde 1859 gegründet, nachdem ein gewisser William S. Bodey in der Nähe Gold gefunden hatte – auch wenn er selbst das spätere Boomtown nie erlebte. Schon in den 1870er-Jahren wuchs die Stadt explosionsartig: Über 60 Saloons, mehrere Kirchen, Schulen, ein Theater, ein Gefängnis und sogar eine eigene Zeitung zeugen von der einstigen Größe. Bis zu 10.000 Menschen lebten hier, überwiegend Goldsucher, Geschäftsleute – und der eine oder andere Ganove. Der Goldrausch machte Bodie reich – und rau: Zeitzeugen berichten von einem Mord pro Tag. Kein Wunder, dass Bodie unter Zeitgenossen den Ruf einer „Sündenschmiede“ hatte.
Heute ist die Stadt eine der am besten erhaltenen Geisterstädte im Westen der USA – viele Gebäude sind im sogenannten „arrested decay“-Zustand konserviert, also gesichert, aber nicht restauriert. Der Staat Kalifornien hat das Gelände 1962 zum State Historic Park erklärt.
Wir schlendern durch die windgepeitschten Straßen und erkunden die verlassenen Häuser: Saloons, Kaufhäuser, eine
Schule, die Kirche, das Gefängnis, ein ehemaliges Bordell – alles, was man für eine stilechte Goldgräberstadt so braucht. Durch die staubigen Fenster sieht man, wie in vielen Räumen die Einrichtung einfach stehen geblieben ist – als hätte man das Haus gerade erst verlassen. Staub bedeckt Tische, Gläser, Spielkarten. Der Wilde Westen in Echtzeit eingefroren.
Zwar wurden weite Teile der Stadt durch Brände in den Jahren 1892 und 1932 zerstört, doch genug ist übrig, um sich gut vorstellen zu können, wie es hier einst zuging – laut, dreckig, gefährlich, aber auch voller Aufbruchsstimmung.
Beim Spaziergang durch das hohe Gras meine ich, ein Klapperschlangen-Rasseln zu hören – ich ordne sofort den Rückzug an. meine bessere Hälfte verdreht die Augen, aber ich bleibe bei meiner Einschätzung: Lieber ein Angsthase als ein Patient.
Zum Abschluss besuchen wir noch den kleinen Friedhof der Stadt. Ein paar verwitterte Holzkreuze und windschiefe Grabsteine erzählen Geschichten, die man lieber nicht zu Ende denkt. Der Ort hat definitiv Atmosphäre – ein bisschen Western, ein bisschen Spukhaus, aber vor allem eine eindrucksvolle Erinnerung an eine Zeit, in der der Traum vom schnellen Reichtum viele anlockte – und nur wenige heil wieder rausließ.
Yosemite Valley unplugged
Wir verlassen Bodie und reisen Richtung Yosemite National Park. Die Fahrt dauert den gesamten Nachmittag. Wir beziehen eine nette Hütte auf einem Campingplatz. Endlich mal eine richtig urige Unterkunft. Es gibt sogar eine Küche, ich nutze die Gelegenheit, um Diners und Fast Food zu entgehen, und erkläre mich bereit, etwas zu kochen. Der Park ist riesig, darum bleiben wir drei Tage.
Am nächsten Morgen fahren wir erstmals in den Nationalpark. Erschreckend sind die durch (gezielte) Waldbrände zerstörten Gebiete vor den Toren des Parks. Die Anreise zieht sich, bis es endlich losgeht, ist es Mittag. Wir wandern zu den Yosemite Falls, welche aufgrund der Hitzewelle, die momentan das Land heimsucht bzw. wegen der sommerlichen Jahreszeit keine echten Wasserfälle sind, sondern lediglich Rinnsale. Gut, die Begeisterung hält sich in Grenzen.
Weiter geht es zum Yosemite Mirror Lake, einem malerischen Bergsee, welcher die sich umliegenden Felsformationen widerspiegeln soll. Aber gleiches Problem! Wir finden lediglich eine Pfütze vor. Traurigerweise stelle ich fest, dass der See in der enormen Trockenzeit immer so aussieht. Verdammte Google-Bilder-Suche, das war da nicht zu sehen. Okay: Notiz für das Logbuch: Reisezeit beim nächsten Mal besser checken.
Am nächsten Tag wollen wir vom Glacier Point an der Südseite des Yosemite Valley, wo man zudem einen tollen Blick auf die Felsformation des Half Domes hat, in das Tal wandern. Vormittags liegen wir an einem Fluss und sonnen uns. Ich entdecke ein Schild, das vor einem Puma warnt, der hier im Yosemite Valley zuletzt mehrfach gesehen wurde. Um meine Freundin nicht zu beunruhigen, behalte ich diese Information für mich, halte aber während des Sonnens stets Ausschau nach der Großkatze. Aber das Tier lässt sich nicht blicken, genauso wenig wie Schwarzbären, welche es hier ebenfalls geben soll.
Auch während unserer Wanderung vom Glacier Point ins Tal kreuzt keines der Tiere meine Kamera. Einerseits bin ich froh
darüber, dennoch wäre es cool gewesen, einen Bären aus der Entfernung zu sehen. Lediglich ein Reh versperrt uns den Weg, lässt sich aber nach gutem Zureden vom Wanderweg vertreiben. Der Hike ist toll, wir passieren zwei Wasserfälle und haben beste Sicht auf The Half Dome, das felsige Highlight des Yosemite Nationalparks neben El Capitán, den alle Mac-User von ihrem Desktop kennen.
Der Yosemite National Park ist nicht nur landschaftlich eindrucksvoll, sondern auch ein echtes Paradies für Wildtiere. Neben Schwarzbären – dem bekanntesten tierischen Aushängeschild des Parks – leben hier auch Maultierhirsche, Kojoten, Luchse, Murmeltiere, Eichhörnchen und eine Vielzahl von Vogelarten, darunter der imposante Stellersche Häher. In höheren Lagen lassen sich mit Glück sogar Dickhornschafe oder ein scheues Puma-Exemplar erspähen – wobei Letzteres bitte aus sicherer Entfernung.
Die Schwarzbären sind grundsätzlich nicht aggressiv, aber neugierig – vor allem, wenn es um Essen geht. Darum gilt: Nie Lebensmittel im Auto lagern! Der Park hat dafür eigene Bärenboxen auf allen Campingplätzen. Und die Warnschilder mit „A fed bear is a dead bear“ sind ernst gemeint – denn ein Bär, der einmal gelernt hat, wie einfach er an Picknickreste kommt, verliert schnell seine Scheu. Im schlimmsten Fall muss das Tier dann entfernt werden – für alle Beteiligten ein trauriges Ende.
Wer sich an die Regeln hält, hat aber nichts zu befürchten – außer vielleicht ein paar aufgeregten Schnappschüssen und dem leicht erhöhten Puls bei einem Rascheln im Unterholz.
Am Abend steigt unweit des Campingplatzes eine Rauchsäule empor. Vier Kilometer entfernt lodert ein Waldbrand. Wir halten uns bereit, um die Flucht in die entgegengesetzte Richtung anzutreten. Wie es aussieht, kriegt die Feuerwehr den Waldbrand aber unter Kontrolle.

Hügel, Highlights und Hammerpreise
San Francisco
Ab nach San Francisco. Nur schnell das Auto irgendwo parken, um dem Verkehr aus dem Weg zu gehen. Das Parkhaus kostet 20 Dollar für 24 Stunden – na, man gönnt sich ja sonst nichts. Wir entscheiden uns, die Stadt mit dem Rad zu erkunden. Wir leihen uns zwei Zweiräder und müssen feststellen, dass dies eine folgenschwere Entscheidung war.
Obwohl wir uns streng an die vorgegebenen Radwege halten, kommen wir ganz schön ins Schwitzen. Die Stadt ist ein einziger Hügel und es geht mächtig bergauf. Aber die Tour ist trotzdem cool, der erste Blick auf die Golden Gate Bridge ist außergewöhnlich und entschädigt für die zurückgelegten Höhenmeter.
San Francisco ist mit seinen rund 800.000 Einwohnern eine der bekanntesten Städte der USA – und das, obwohl sie gar nicht zu den größten gehört. Gegründet wurde sie 1776 von spanischen Kolonisten, wuchs aber erst im Zuge des kalifornischen Goldrauschs ab 1848 rasant an. Heute ist sie bekannt für ihre liberale Lebenskultur, ikonische Sehenswürdigkeiten wie Alcatraz, die hügeligen Straßen, die Cable Cars – und natürlich für eine hohe Lebensqualität mit entsprechend hohen Lebenshaltungskosten. Silicon Valley ist nicht weit, was den ein oder anderen Dollar mehr in die Innenstadt gespült hat. Wer es sich leisten kann, lebt hier stylisch und progressiv – alle anderen schauen neidisch über die Bucht.
Alcatraz, die berüchtigte Gefängnisinsel, liegt gut sichtbar in der Bucht. Wir waren zwar nicht auf der Insel, aber selbst aus der
Ferne wirkt das ehemalige Hochsicherheitsgefängnis noch immer imposant.
Am Abend gehen wir fein essen. San Francisco rühmt sich, anders zu sein als andere amerikanische Großstädte – und es ist wahr. Dies spiegelt sich auch in der international angehauchten Küche wider. Wir essen köstlich international, wenn auch preisintensiv, und schlürfen kalifornischen Rotwein.
Am nächsten Tag überqueren wir die Golden Gate Bridge mit unserem Auto – auch das ist nicht so einfach, dafür aber kostenpflichtig. Vorab müssen wir online die 8 Dollar für die Überquerung entrichten. Die Vorabzahlung ist zwar nervig, aber empfehlenswert. Kameras scannen die Nummernschilder der überquerenden Autos, und wird vorab keine Zahlung entrichtet, bekommt die Autovermietung eine Rechnung von ca. 20 Dollar, die sie dann plus Bearbeitungsgebühr weiterleitet bzw. einfach von der Kreditkarte abbucht. Und da denkt man, die deutschen Behörden sind nachtragend.
Die Brücke selbst ist übrigens ein echtes Stück Baugeschichte: Zwischen 1933 und 1937 mitten in der Großen Depression errichtet, galt sie lange als längste Hängebrücke der Welt. Ihr knalliges „International Orange“ war ursprünglich eine Notlösung – wurde dann aber Kult. Heute ist sie nicht nur funktional, sondern weltberühmt.
Nachdem wir die Golden Gate überfahren haben, biegen wir rechts ab, fahren unter der Brücke durch und auf einen Berghang. Von dort ergibt sich noch einmal ein toller Blick auf die Brücke – inklusive Stadt im Hintergrund. Nice!
Küstenkurven, Kalifornien-Charme und Seeotter deluxe
Highway 1, Monterey und Carmel-by-the-Sea
Wir verlassen San Francisco in Richtung Süden. Kaum sind die letzten Häuser verschwunden, folgt ein Traumstrand auf den nächsten. Hier könnte man glatt den Anker werfen. Schon jetzt bedaure ich, dass wir nicht mehr Zeit haben. Wir lassen uns an einem dieser Strände nieder – breit, weiß, menschenleer. Passt. Ein Stand-Up-Paddler zieht durchs Wasser, zwei Seehunde begleiten ihn wie persönliche Bodyguards. Kalifornien liefert.
Nach zwei Stunden Sonne satt – mutigerweise nur unter Lichtschutzfaktor 15 (man will ja auch braun werden) – fahren wir weiter auf dem berühmten Highway 1, der sich spektakulär an die Steilküste klammert. Links der Pazifik, rechts der Abgrund. Der Blick ist verlockend, aber meine Augen kleben lieber am Asphalt.
Zum Sonnenuntergang erreichen wir das charmante Monterey, einst ein bedeutender Fischerei- und Sardinenhafen, heute bekannt für das Monterey Bay Aquarium, Literatur (dank John Steinbeck) und seinen entspannten Küstenflair. Die historische Cannery Row – einst Zentrum der Fischverarbeitung, heute Touristenmeile – erinnert an bessere Fischzeiten. Zum Glück gibt’s inzwischen Sushi, Kaffee und Kunst statt Konserven.
Nur wenige Kilometer weiter liegt Carmel-by-the-Sea, ein kleines Künstlerdorf mit Storybook-Häusern, Galerien, Boutiquen und jeder Menge gepflegtem Küstencharme. Keine Straßenlaternen, keine Hausnummern – Post bekommt man hier übrigens nur per Nachname und Beschreibung („drittes Haus mit
blauem Tor hinter dem großen Oleander“). Clint Eastwood war mal Bürgermeister – weil er sich über eine Bauverordnung geärgert hatte. So macht man das hier. Am nächsten Morgen besuchen wir das direkt an die Orte angrenzende Point Lobos State Natural Reserve, ein echtes Juwel an der Küste. Gleich zu Beginn sehen wir einen Buckelwal, der gemächlich durch die Wellen zieht. Auf den vorgelagerten Klippen lümmeln Seehunde, Kormorane patrouillieren die Lüfte. Und dann: das Sahnehäubchen.
Ein Seeotter, schwimmend auf dem Rücken, mit einem Stein auf dem Bauch. Darauf eine Muschel. Kurz darauf ein Knack. Zack – Mittagessen. Seeotter sind nicht nur clever (sie gehören zu den wenigen Tieren, die Werkzeuge benutzen), sondern auch eine echte Erfolgsgeschichte im Naturschutz: In Kalifornien fast ausgerottet, konnten sie dank intensiver Schutzmaßnahmen wieder angesiedelt werden. Heute tummeln sich mehrere hundert Exemplare an der Zentralküste – Point Lobos ist einer der besten Orte, um sie zu sehen.
Südlich legen wir noch einen Stopp bei einer Seeelefantenkolonie ein. Diese Tiere sind... viel. Viel Masse, viel Geräusch, viel Eindruck. Sie grunzen, räkeln sich und beanspruchen ihren Platz. Eine Mischung aus riesigem Seehund und launigem Felsen. Ein bisschen absurd – aber ziemlich faszinierend.
Finale in Santa Barbara und Los Angeles
Santa Barbara und Los Angeles
Bevor wir den Highway 1 endgültig verlassen und ins Moloch namens Los Angeles rollen, machen wir Halt in Santa Barbara. Und was soll ich sagen? Liebe auf den ersten Blick! Die Stadt wirkt wie eine Mischung aus mexikanischer Kleinstadt und kalifornischem Küstenidyll: weiß getünchte Häuser im Kolonialstil, Palmen an jeder Ecke, nette Cafés und ein angenehm entspanntes Lebensgefühl. Auch das Klima – sonnig, aber nicht zu heiß – trägt seinen Teil zur Schwärmerei bei.
Wir spazieren an den breiten Stadtstrand und stellen fest: Für einen City-Beach ist das hier wirklich erste Liga. Schweren Herzens packen wir am nächsten Morgen wieder die Koffer, denn das Ende der Reise naht.
Über Malibu und Santa Monica rollen wir langsam nach Los Angeles ein – oder besser gesagt: Wir stauen uns rein. Der Verkehr ist legendär und verdient jedes seiner Klischees. Wir überqueren den Rodeo Drive (ohne Shopping-Stopp) und
steuern direkt auf Hollywood zu. Ich will diesen berühmten Schriftzug am Berghang sehen – einfach, weil man das halt so macht. Aber: Hollywood enttäuscht. Der Walk of Fame ist eine Aneinanderreihung von Kaugummis, verwitterten Sternen und überteuertem Ramsch. Ich denke kurz darüber nach, ob ich meinen Namen jemals auf so einem Stern sehen wollen würde. Antwort: Nein. Wirklich nicht. Das ist also die große Traumfabrik? Eher Kulisse als Kino – mehr Schein als Sein.
Damit endet unsere Reise durch den Westen der USA – vier Wochen voller Roadtrips, Nationalparks, Canyons, Küstenstraßen und überraschend guter Burger. Besonders begeistert haben uns die Naturwunder, aber auch Städte wie San Francisco, Monterey und eben Santa Barbara – mit kosmopolitischem Flair, feiner Küche und einem Gespür für das Schöne.
Ein echtes Abenteuer.

Das war Westküste USA!
Canyons durchquert, Kilometer gefressen, Seeelefanten bestaunt, die Golden Gate Bridge überquert – und mittendrin ganz viel Natur. Der Westen der USA spektakulär. Nicht lange überlegen – einfach losfahren. Aber vorher am besten weiterlesen. Wie wäre es mit Afrika?
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